Vor uns ist niemand sicher. Diese Botschaft hat das iranische Regime am Montag an seine eigene Bevölkerung und in die ganze Welt gesendet, um nicht zu sagen: gebrüllt. Bevor man sich fragt, was dahinter steckt, darf man aber nicht übersehen, dass hier nicht einfach ein Zeichen gesetzt wurde. Die iranische Regierung hat den Deutsch-Iraner und Regimekritiker Jamshid Sharmahd getötet.
Sharmahd, 69 Jahre alt, in Teheran geboren, in Deutschland aufgewachsen, zuletzt in den USA lebend, war vor vier Jahren während einer Dienstreise entführt worden und saß seitdem im iranischen Gefängnis. Dort zwang man ihn unter Folter dazu, seine vermeintliche Beteiligung an einem Terroranschlag zuzugeben. Für die angebliche Tat gab es keine Beweise, es gab auch keinen Prozess, in dem Sharmahd sich hätte verteidigen können. Nun wurde er hingerichtet.
Iran-Politik überdenken
Sharmahds Familie und besonders seine Tochter Gazelle machen der Bundesregierung schwere Vorwürfe. Deutschland hat es nicht geschafft, Sharmahd zu retten. Sein Tod sollte Anlass für die Bundesregierung sein, ihre Iran-Politik zu überdenken. Auch weil das Brüllen aus Teheran noch ein Zeichen für etwas anderes ist: Die Islamische Republik schwächelt. Der Iran brüllt nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche heraus.
Dass es dem Iran nicht gut geht, wird oft übersehen. Der Nahost-Konflikt hat das Land wichtige Ressourcen gekostet, wegen Israels Angriffen ist die Islamische Republik geschwächt. Dass Israel den Hamas-Führer Ismail Hanija im Sommer mitten in Teheran tötete, hätte dem Iran nicht passieren dürfen, es war eine Bloßstellung seines Sicherheitssystems. Zwar ist das Regime ein wichtiger Akteur im Nahost-Konflikt und hat überall Verbündete. Doch auch deren Mittel sind nicht unbegrenzt.
Gefahr Atomprogramm
Dass der Iran militärisch schwächelt, heißt allerdings nicht, dass er am Ende sei. Die größte Gefahr geht von seinem Atomprogramm aus. Seit Jahren arbeitet der Staat an eigenen Nuklearwaffen. Doch er leidet umgekehrt auch unter den Wirtschaftssanktionen, die deswegen gegen ihn verhängt wurden.
Für die deutsche Iran-Politik bedeutet das, dass die „schwerwiegenden Folgen“, die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angekündigt hat, nun auch wirklich spürbar sein müssen. Den iranischen Botschafter auszuweisen, wie es der CDU-Chef Friedrich Merz gefordert hatte, ist zwar offenbar nicht möglich, weil derzeit gar keiner in Berlin akkreditiert sei, wie aus dem Auswärtigen Amt zu hören ist. Stattdessen ist ein vorübergehender Geschäftsträger in der Vertretung eingesetzt, der nun einbestellt wurde.
Weniger Unterstützung in der Bevölkerung
Doch auf anderen Ebenen muss einiges passieren. Deutschland muss den Handel mit dem Iran weiter einschränken. Auf EU-Ebene müssen weitere Sanktionen geprüft werden. Vor allem aber müsste man nach Möglichkeiten suchen, die Zivilgesellschaft im Iran zu stärken. Die Unterstützung in der Bevölkerung für das Regime soll so gering wie nie sein. Das machten auch die Proteste von 2022 deutlich. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb sie nun Sharmahd hinrichten ließ – um den eigenen Leuten zu zeigen, welche Konsequenzen es hat, wenn man sich gegen das Regime engagiert. Das Regime in Teheran brüllt, um die eigene Schwäche zu überspielen.
Ob es Sharmahd gerettet hätte, wenn die Bundesregierung diese Konsequenz frühzeitig nach der Verkündung der Todesstrafe gezeigt hätte? Richtig wäre sie in jedem Fall gewesen. Zumal es noch andere Deutsche gibt, die Teheran in der Hand hat. Im berüchtigten Evin-Gefängnis ist die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi unschuldig inhaftiert. Ihr Gesundheitszustand gilt als kritisch.