Nach ihrer Landung in Stuttgart berichtet die deutsche Journalistin Mesale Tolu über ihre Zeit im türkischen Gefängnis. Zur Fortsetzung ihres Prozesses will sie nach Istanbul zurückkehren.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart/Istanbul - Mesale Tolu ist wieder in Deutschland. Die Erleichterung über ihre ersten Minuten in der wiedergewonnenen Freiheit sind der Journalistin deutlich anzumerken. Sie müsse das neue Gefühl erst einmal verarbeiten, sagt sie kurz nach ihrer Ankunft auf dem Stuttgarter Flughafen vor Journalisten.

 

Mehr als sieben Monate hatte die Deutsche in Istanbul zusammen mit ihrem kleinen Sohn in Untersuchungshaft gesessen. Danach durfte sie die Türkei nicht verlassen. Tolu wird die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen – gemeint ist die linksextreme MLKP. Noch Ende April hatte das Istanbuler Gericht bei der Fortsetzung des Prozesses gegen Tolu entschieden, die Ausreisesperre gegen die 33-Jährige aufrechtzuerhalten. Nun wurde ihr fast anderthalb Jahre nach ihrer Festnahme überraschend der Flug in ihre Heimat nach Deutschland erlaubt.

Tolu bleibt kämpferisch

Bei ihrem ersten Auftritt kurz nach ihrer Landung auf dem Flughafen in Stuttgart gibt sich Mesale Tolu kämpferisch und will sich weiter für ihr Recht einsetzen. Aus diesem Grund wird sie auch wieder zurück in die Türkei reisen. „Ich muss zurück in die Türkei, weil mein Prozess weitergeht“, erklärt sie. „Ich bin der Meinung, dass ich im Recht bin.“ Sie ist überzeugt, dass sie die Vorwürfe gegen sich entkräften kann.

Repressalien in der Türkei

Nach den Wahlen vor wenigen Wochen und der Einrichtung eines Präsidialsystems in der Türkei habe Präsident Recep Tayyip Erdogan faktisch die Alleinherrschaft errungen. Das bedeute, dass die Opposition noch mehr unter Druck gerate und unter den Repressalien des Systems zu leiden habe.

An dieser Stelle erinnerte Mesale Tolu daran, dass sich trotz ihrer Ausreise die Zustände nicht gebessert hätten. „Ich bin heute hier, aber Hunderte Kollegen, Oppositionelle, Anwälte und Studenten sind inhaftiert.“ Das sei der Grund, weshalb sie sich über ihre eigene Ausreise nicht wirklich freuen könne. Zudem habe sie ihren ebenfalls angeklagten Mann in der Türkei zurücklassen müssen.

Bericht über die Festnahme

Einen breiten Raum nimmt die Erzählung ein, wie sie in der Nacht festgenommen worden war. Maskierte Polizisten hätten in den Morgenstunden ihre Wohnung gestürmt und auch ihren kleinen Sohn mit Waffen bedroht. Über Stunden sei sie von den Männern beschimpft und bedroht worden. Danach sei ihr jeglicher Kontakt zur deutschen Botschaft verweigert worden und ihr Sohn sei ihr weggenommen worden. Warum sie nun ausreisen durfte, weiß sie nicht. Für die Journalistin ist dies nur ein weiteres Indiz dafür, dass in der Türkei weder die Polizei noch die Justiz frei sind, sondern alles vom Wohlwollen des Staatspräsidenten abhängt.

Die Ereignisse haben Mesale Tolu offensichtlich stark beeindruckt, aber nicht ihren Willen gebrochen. Sie will in Deutschland weiter als Journalistin arbeiten und sich für die Demokratie in der Türkei einsetzen. Genaue Pläne habe sie im Moment allerdings keine. Jetzt wolle sie sich zuerst einmal bei Bekannten und Freunden in Deutschland für die große Unterstützung bedanken und sich etwas Ruhe gönnen.