Die Mitbestimmung ist in die Jahre gekommen. StZ-Autor Michael Heller bedauert, dass sich niemand findet, der das große Reformprojekt der siebziger Jahre neu belebt.

Stuttgart - Am Ende hat sich die Sorge der Gewerkschaften als unbegründet erwiesen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat so entschieden, wie er entscheiden musste. Das deutsche Mitbestimmungsgesetz gilt in Deutschland und kann deshalb nicht im Ausland zur Anwendung kommen. Alles andere wäre eine mehr als überraschende Entscheidung gewesen. So stellt sich die Frage, warum die Richter des Berliner Kammergerichts überhaupt dem Kläger Konrad Erzberger die Ehre erwiesen haben, sein Anliegen vor den EuGH zu bringen. Denn um mehr Mitbestimmung für Beschäftigte bei ausländischen Konzerntöchtern ging es dem Kleinaktionär in keiner Weise; er wollte die Mitbestimmung vielmehr aushebeln, auf dass die Vertreter der Aktionäre im Aufsichtsrat künftig unter sich sind.

 

Kein Stimmrecht für die Belegschaft im Ausland

Gleichwohl hat das Verfahren dem Anliegen der Mitbestimmung eine zumindest etwas größere Aufmerksamkeit beschert, als ihr in der jüngeren Vergangenheit zuteil wurde. So ist klar geworden, dass dieses große Reformprojekt der Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mittlerweile Staub angesetzt hat. Es spiegelt nicht mehr die Realität in den Unternehmen, die viel internationaler aufgestellt sind, als sie es vor 40 Jahren waren. So ist in der Tat die fehlende Vertretung der ausländischen Belegschaften zu beklagen. Abhilfe kann hier freilich nur die EU schaffen, nicht Deutschland alleine.

Kaum jemand regt sich auf, wenn die Mitbestimmung ausgebremst wird

Aber woher soll der notwendige Impuls kommen, wenn nicht aus Deutschland, dem Vorreiter der Mitbestimmung? Aber hier regt sich so gut wie gar nichts, noch nicht einmal bei den Sozialdemokraten, denen dieses Thema doch besonders am Herzen liegen müsste. Achselzuckend wird sogar zur Kenntnis genommen, dass Unternehmen mit der Hilfe gewiefter Anwälte die Mitbestimmung umgehen, ohne gegen Gesetze zu verstoßen. Dass die Unionsparteien wenig Neigung zeigen, hiergegen einzuschreiten, reicht bereits für eine Kapitulationserklärung. Bei so viel Mutlosigkeit darf sich niemand wundern, dass die EU-Kommission keine große Energie darauf verwendet, in der Gemeinschaft endlich eine Säule sozialer Rechte einzuziehen.