Der einstige Kugelstoß-Bundestrainer Hans-Jörg Kofink sieht die deutsche Olympiabewerbung für 2024 eher kritisch. Deutschland habe eine Vergangenheit als Dopingnation aufzuarbeiten.

Stuttgart - Mit einer derartigen Reaktion hatte der für den Sport zuständige Bundesinnenminister wohl kaum gerechnet, als er vergangene Woche im Bundestag den 13. Sportbericht der Bundesregierung erläuterte. Thomas de Maizière wollte eine Offensive für die Olympiabewerbungen 2024 beziehungsweise 2028 starten. „Es ist Zeit, dass wir Deutschland im Sport wieder in die Spitzengruppe der Welt führen und dass wir es schaffen, Olympia, und zwar die Sommerspiele, im nächsten Jahrzehnt nach Deutschland zu holen“, sagte de Maizière.

 

Der Innenminister untermauerte dabei den Stellenwert des Sports in der Gesellschaft. „Die Arbeit im Sport ist auch ein Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Sport verbindet und schafft gemeinsame Ergebnisse“, begründete er seinen Rückenwind.

Hans-Jörg Kofink (78) aus Rottenburg, einer der hartnäckigsten Dopinggegner seit Jahrzehnten, bezog Position gegen diese Ansichten. „Gemeinsame Ergebnisse aus 40 Jahre ,Kaltem Krieg auf der Aschenbahn‘ sind auch das Doping in beiden deutschen Staaten“, antwortete der ehemalige Kugelstoß-Bundestrainer Kofink auf de Maizières Rede. Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall sei die deutsch-deutsche Sportgeschichte noch immer nicht aufgearbeitet, stellt Kofink fest.

„Vor allem für die Opfer des Zwangsdopings der DDR ist Hilfe nicht in Sicht“, betont Kofink. Ines Geipel (Berlin), ehemalige Weltklassesprinterin und selbst ein Dopingopfer, hat zum Jahresende als Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Verein auf die Situation von 700 Dopingopfer (die Grauzone liegt bei 2000) hingewiesen.

Die Folgen des Dopings in Ost und West

Dem Werben für den Sport durch den Minister („Sport ist ein Imageträger für unser Land“) setzte Kofink die traurige Entwicklung mit zahlreichen toten ehemaligen Sportlern in auffällig jungem Alter entgegen. „Viele deutsche Olympiasieger und Weltmeister in Ost und West leben heute nicht mehr, weil sie in ihren besten Jahren von Leiden dahingerafft wurden, die man heute mit Doping in Zusammenhang bringt“, beklagt Kofink.

Im Westen zählen dazu der Kugelstoßer Ralf Reichenbach (Berlin), der mit 48 vermutlich nach Anabolika-Doping an plötzlichem Herztod verstarb („Ich sterbe lieber zehn Jahre früher, wenn ich dafür Olympiasieger werde“). Dazu Uwe Beyer (Leverkusen), einer der weltbesten Hammerwerfer, der mit 48 beim Tennis an einem Herzinfarkt starb, nachdem er sich in einer Zeitschrift freimütig zum Anabolika-Doping bekannte. Die Aachener Schwimm-Europameisterin Christel Justen wurde als Minderjährige von ihrem Trainer mit dem Anabolikamittel Dianabol gedopt. Sie litt an Herzrhythmusstörungen und starb mit 47.

Helga Ahrendt starb mit nur 49 Jahren

Helga Ahrendt, 400-Meter-Hallen-Weltmeisterin, war während ihrer Laufbahn im „Hammer Modell“ unter dem damaligen Bundestrainer Heinz-Jochen Spilker in ein Dopingsystem eingebunden. Beginnend mit 22 Jahren wurde ihr das Dopingmittel Stromba verabreicht. Nach Ahrendts Tod mit 49 rief der Doping-Opfer-Hilfe-Verein den deutschen organisierten Sport auf, die ehemalige Chemie-Netzwerke in Ost und West aufzuarbeiten.

„Sie alle bezahlen für ihren Sport von gestern“, lautet Kofinks Botschaft an de Maizière und fragt: „Gehört das nicht zum Image des Spitzensportlandes?“ Wenn de Maizière feststellt, dass Deutschland eine weltweit geschätzte Nation sei, „auch wegen seiner Spitzenleistungen im Sport“, hält Kofink dagegen: „Gehören da nicht auch die Rekorde für die Ewigkeit dazu, an denen sich junge deutsche Athleten nicht mehr messen lassen wollen, weil sie auf die Unrechtsumstände ihres Zustandekommens verweisen?“

„Es gibt einige Aspekte der Spitzensportnation Deutschland, Herr Minister, die man nicht unter den Teppich kehren sollte, wenn man die deutsche Bevölkerung für eine offene und faire Olympiabewerbung gewinnen will“, fordert Kofink.