Bereits mit ihrem dritten Film gelingt Maren Ade der ganz große Coup. „Toni Erdmann“ ist in Cannes zu sehen – Das wich­tigste Filmfestival überhaupt. Und dann gleich ohne Umwege direkt in den Wettbewerb.

Cannes - Für ihr Debüt „Der Wald vor lauter Bäumen“ bekam sie bei Robert Redfords renommiertem Sundance Filmfestival im US-amerikanischen Utah den Großen Preis der Jury. Mit ihrem zweiten Streich „Alle anderen“ startete Maren Ade auf der Berlinale – und kassierte gleich zwei Bären: Wiederum den Großen Preis der Jury sowie den Schauspielpreis für Brigit Minichmayr. Publikum und Presse waren gleichermaßen begeistert von dem gefühlsechten Liebesquartett auf Sardinien, bei dem zwei Paare ihre Beziehungen neu sortieren.

 

Nun, mit dem dritten Werk, gelingt Ade der ganz große Coup: Cannes! Das wichtigste Filmfestival überhaupt. Und dann auch ohne Umwege direkt in den Wettbewerb – andere Festival-Novizen müssen meist erst in Nebenreihen wie der „Quinzaine“ oder dem „Certain Regard“ ihre Qualität beweisen. Die 1976 in Karlsruhe geborene Regisseurin kann zudem stolz darauf sein, dass acht Jahre nach Wim Wenders endlich wieder ein schwarz-rot-goldenes Fähnchen im Palmen-Rennen weht.

162 Minuten dauert ihre Tragikomödie „Toni Erdmann“, die von einem Vater und seiner erwachsenen Tochter handelt. Die beiden können unterschiedlicher kaum sein: Papa Winfried (Peter Simonischek) ist der gefühlvolle Alt-68er, ein Musiklehrer mit viel Humor. Tochter Ines (Sandra Hüller) reist als erfolgreiche Unternehmensberaterin um die Welt. Als sie in Rumänien bei einem Outsourcing-Projekt gerade zu neuen Karrieresprüngen ansetzt, bekommt sie überraschend Besuch von ihrem Vater – was so ganz und gar nicht in Ines’ Business-Pläne passt.

Familie ist für immer

„Man muss die Sachen immer weiter spinnen, verdichten oder überhöhen“, beschrieb die Regisseurin bei ihrem letzten Film ihr dramaturgisches Konzept. Über die autobiografischen Bezüge ihres aktuellen Projekts sagt Ade: „Gerade beim Thema Familie war es interessant, wie wenig ich meiner eigenen Familie beim Schreiben entkommen konnte. Nichts kennt man so gut wie seine eigene Herkunft. Familie hat man ja nur eine, Eltern-Kind, das ist immer lebenslänglich, dem kann man schwer entkommen. Das ist auch das, was mit Ines im Film passiert. Sie glaubt, es spielt keine Rolle mehr, wo sie herkommt, sie glaubt, da gibt es nichts mehr zu holen. Alles spielt sich in ritualisierten Abläufen ab. Jeder hat seine zugeschriebene Rolle.“

Ihre eigene Rolle im Filmgeschäft hat die Regisseurin schnell ausgeweitet. Noch während des Studiums an der Hochschule für Film und Fernsehen in München gründete sie im Jahr 2000 mit „Komplizen Film“ ihre eigene Produktionsfirma. Die realisierte unter anderem „Über-Ich und Du“ von Benjamin Heisenberg, „Hedi Schneider steckt fest“ von Sonja Heiss oder „Schlafkrankheit“ von Ulrich Köhler, ihrem Lebenspartner. „Wir produzieren lokale Filme für ein internationales Publikum, die ein Wagnis eingehen und uns zum grenzenlosen Denken anregen“, lautet die Philosophie des Unternehmens – kein ganz schlechtes Motto für einen Erfolg unter Palmen.