Am Vorabend des großen Branchentreffens in Frankfurt wird der Deutsche Buchpreis verliehen, an diesem Montag zum zehnten Mal. Seit seinem Bestehen befeuert er die Kritik und ist doch für Leser und Autoren eine Erfolgsgeschichte.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Wie viele Literaturpreise es in Deutschland genau gibt, kann keiner sagen. Es dürften insgesamt mehr als tausend sein. In diesem Jahr kam ein weiterer dazu, der mit 50 000 Euro dotierte Siegfried-Lenz-Preis. Die wenigsten dieser Prämierungen spielen im Bewusstsein der Öffentlichkeit eine ähnlich bedeutende Rolle wie in der Lebenskalkulation der geehrten Autoren. Wer jenseits des Bestsellermassivs schreibt, tut dies auf windigem Posten. Laut Künstlersozialkasse beträgt das Jahresdurchschnittseinkommen der dort versicherten Schriftsteller 12 000 Euro. Da ist jede zusätzliche Unterstützung kein überflüssiger Luxus, sondern ein wesentlicher Beitrag für den Erhalt einer reichen und farbigen Literaturlandschaft. Es gibt aber auch Preise, die Autoren in die Lage versetzen, sich auf dem Markt zu behaupten, indem sie das Interesse der Leser auf ihre Werke lenken. Und unter diesen ist der Deutsche Buchpreis, der an diesem Montagabend zum zehnten Mal verliehen wird, der wichtigste.

 

2005 wurde er als Pendant zum britischen Man Booker Prize, dem französischen Prix Goncourt oder dem amerikanischen National Book Award ins Leben gerufen. Das Ziel war, deutschsprachige Literatur national und international ins Gespräch zu bringen, Interesse für das Leitmedium Buch zu wecken und die Lesekultur zu stärken. Dafür wurde ein öffentlichkeitswirksames Gepränge entwickelt, das die Entscheidungsprozedur auf drei jeweils medial geschickt in Szene gesetzte Etappen streckt. Jedes Jahr im Spätsommer wird eine Liste mit 20 Titeln bekanntgegeben, die sogenannte Longlist, und wenige Wochen später auf die sechs Titel der Shortlist reduziert. Einer davon wird in einem oscar-inspirierten Festakt im Frankfurter Römer am Vorabend der Buchmesse mit viel Tamtam zum „besten Roman des Jahres“ gekürt. Der Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandel hat 2004 ein Gremium aus Repräsentanten der Buch- und Kulturbranche berufen. Deren wichtigste Aufgabe ist die jährliche Wahl der Jury. Jeder Verlag, der Mitglied in einem der Branchenverbände in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist, kann zwei Titel des aktuellen Bücher-Jahres einreichen und der Jury darüber hinaus fünf weitere Titel empfehlen. Die Jury ihrerseits kann Titel nachfordern, die sie für diskussionswürdig hält.

In zehn Jahren haben sich die Juroren durch 1647 Romane gebissen

In zehn Jahren haben sich die Juroren durch insgesamt 1647 Romane gebissen, der längste unter den Nominierten Navid Kermanis „Dein Name“ mit 1229 Seiten, der kürzeste „Frühling der Barbaren“ von Jonas Lüscher mit 125 Seiten. Wer es in die Endauswahl schafft, kann mit einem kräftigen Verkaufsschub rechnen, den die Statistiken des Börsenvereins eindeutig belegen. In absoluten Zahlen liegt in der Rangliste der bisherigen neun Siegertitel Uwe Tellkamps Wälzer „Der Turm“ über den Untergang der DDR vorn; nach dem Siegerprädikat schnellte seine verkaufte Auflage von 60 000 Exemplaren auf 450 000 nach oben. Prozentual dagegen erreichte der erste Buchpreisgewinner von 2005, Arno Geiger mit „Es geht uns gut“, den imponierendsten Erfolgssprung; von seinem Drei-Generationen-Gesellschaftsroman verkauften sich vor der Preisverleihung 2000 Exemplare, danach 100 000.