Beilstein hat einen Deutschen Meister: Kai Gotthardt von den Dart Force One holt sich den Titel im Steeldart und hofft auf dem Weg zum Profi auf mehr Sponsoren.
Am liebsten beendet Kai Gotthardt eine Dartpartie mit der Doppel-16 oder der Doppel-18. Da kann er sich auf den Flug seines Pfeils mit dem Slimflight am Ende verlassen, einer schmaleren und längeren Form, die eine schnellere und geradere Flugbahn ermöglicht. Anfängern würde er diese Flügelvariante aber nicht empfehlen, meint Kai Gotthardt.
Der 28-Jährige selbst ist längst kein Rookie mehr in der deutschen Dartszene und hat sich am vergangenen Wochenende bei den DDV German Masters in Bochum den Deutschen Meistertitel gesichert mit einem ordentlichen Average von 90 Punkten. Im Finale schlug „The Tunnel“ , wie er sich nennt, Luca Jäger mit 5:2. Dabei holte er sich nach einem 1:2-Rückstand vier Legs in Folge. Auch mental eine starke Leistung.
Der gebürtige Esslinger geht seit einem Jahr auch für das Dart Force One Team aus Beilstein an den Start und ist mit der Mannschaft kürzlich in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Im Bochumer Kongresszentrum hat er sich mit seinem Teamkollegen Winkler auch noch die Bronze-Medaille mit dem Auswahl-Team Baden-Württemberg 1 hinter Bremen und Niedersachsen gesichert.
Eine Sucht, die einem nicht mehr loslässt
Mit neun Jahren hat er über seinen Vater die Leidenschaft fürs Pfeilewerfen entdeckt, hat viel trainiert und schnell Fortschritte gemacht, wenn auch nicht in der Qualität des erst 17 Jahre alten Wunderwerfer Luke Littler. „Das lässt einem dann nicht mehr los. Das ist wie eine Sucht“, erzählt der Vater einer vierjährigen Tochter.
Und er redet offen über seinen ganz großen Traum: Um an der Pro Tour der Professional Darts Corporation (PDC) teilnehmen zu können, benötigt man eine Tourkarte. Gotthardt war schon oft nah dran, dieses begehrte Ticket zu bekommen. 2019 qualifizierte er sich erfolgreich für die Super League Darts Germany , im Oktober 2020 gelang ihm beim European Darts Grand Prix in Sindelfingen der erstmalige Sprung in das Hauptfeld eines European Tour Event.
Die Sehnsucht nach der Tourcard
In diesem Jahr ist er wieder in der Super League am Start – den beiden Erstplatzierten winkt die Tourcard und die Teilnahme an der WM. Drei Jahre gibt sich Gotthardt Zeit, um das große Ziel, als Vollprofi starten und gegen seinen Beruf im Außendienst eintauschen zu können, zu erreichen. „Es ist motivierend für mich, dass dies schon einigen deutschen Spielern gelungen ist, aber die Konkurrenz ist natürlich groß“, sagt er.
Bei der vergangenen Weltmeisterschaft im legendären „Ally Pally“ in London erreichten mit Ricardo Pietreczko, Gabriel Clemens, Florian Hempel und dem aktuell besten deutschen Akteur Martin Schindler erstmals vier Deutsche die dritte Runde. Aber obwohl der Event, strategisch günstig in den Sofa-Gammeltagen um Weihnachten gelegen, immer mehr deutsche Fans vor den Fernseher zieht, ist es nach wie vor schwer, den Sprung zu den Profis zu schaffen.
Mehr als ein Trainingsweltmeister sein
„Das größte Hindernis sind hauptsächlich die fehlenden Sponsoren in Deutschland, um die hohen Kosten zu bewältigen, die man in diesem Sport hat“, sagt Gotthardt und nennt die Startgelder, die Reisekosten, die oft auf die Insel nach England führen sowie das Geld für die zahlreichen Übernachtungen. Bis zu sechs Stunden investiert er täglich in seinen Sport – wenn es die Arbeit zulässt. Zum Glück habe er einen verständnisvollen Chef.
Darts ist für Gotthardt nach wie vor viel Detailarbeit – er versucht kleine Fehler aus seinem Spiel zu bekommen und noch mehr Routine in seinen Wurf. Doch das meist einsame Üben vor der Dartscheibe ist es nicht allein, was letztlich einen guten Spieler ausmacht. Es gibt viele „Trainingsweltmeister“, sagt Gotthardt, aber auf der kleinen oder großen Bühne ist es doch ganz anders. Gerade Anfänger unterschätzen die Nervosität in einer Wettbewerbssituation. Breite Schultern und Muskeln helfen wenig, wenn die Finger zittern.
Deshalb ist Gotthardt ständig im Turniermodus. Aktuell spielt er die neue Serie PDC Europe Next Gen und führt die Tabelle nach sechs von 18 Runden an. Das bringt leider keine Punkte auf dem Weg zur Tourcard – aber mit dem Preisgeld lassen sich einige Kosten auffangen.