Das Verkehrsmittel Auto herrscht weiterhin über die deutschen Innenstädte. Das Rad ist auf dem Vormarsch. Doch was ist mit denen, die einfach nur zu Fuß gehen?

Stuttgart - Es ist eine denkbar einfache Art der Fortbewegung und gleichzeitig die Allzweckwaffe gegen Klimawandel, Luftschadstoffe, Lärm, Platzmangel und Zerstörung der Innenstädte: Das Zufußgehen erhöht die Lebensqualität. Ziel des baden-württembergischen Verkehrsministeriums ist es deshalb, dass 30 Prozent aller Wege 2030 im Land zu Fuß zurückgelegt werden. Zuletzt war dieser Anteil in Baden-Württemberg aber zurückgegangen. 2017 betrug er lediglich 21 Prozent, wie aus der Verkehrserhebung „Mobilität in Deutschland“ hervorgeht. Die Städte wurden für das Auto geplant und gebaut.

 

Nun sollen die eigenen Füße als Verkehrsmittel künftig eine größere Rolle spielen. Da sind sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), die in anderen Themen gern mal überkreuz liegen, einer Meinung. Auf dem Deutschen Fußverkehrskongress der beiden Ministerien, der teils im Stuttgarter Stadtpalais, aber vor allem online stattfand, machen sich Scheuer und Hermann am Mittwoch für den Fußverkehr stark. Das Credo: Das Zufußgehen kommt zu kurz. „Fußgänger dürfen sich nicht als Verkehrsteilnehmer letzter Klasse fühlen“, sagt Scheuer. Die Politik müsse den Fußverkehr stärker in den Blick nehmen.

In Corona-Krise mehr Wege zu Fuß gegangen

Zufußgehen sei gesund, umweltfreundlich und krisenfest, sagt Scheuer. Besonders in Corona-Zeiten seien mehr Wege zu Fuß gegangen worden. Scheuer spricht von einem neuen Bewusstsein, das entstanden sei. Es sei überfällig für die Politik, einen stärkeren Blick auf den Fußverkehr zu nehmen. Mit Strafen und Sicherheitskampagnen sei es nicht getan. Die Infrastruktur müsse angepasst werden. Der Bund unterstütze im Kampf gegen städtebauliche Missstände.

Man lebe heute in der autogerechten Stadt, nicht weil sie gewünscht werde, sondern weil sie vor langer Zeit als Leitbild geschaffen worden sei, kritisiert Hermann. „Heute leben wir gewissermaßen in Asphalt und Beton der Gestaltung der früheren Jahrzehnte.“ Das Ergebnis: Zu schmale Fußwege, autofreundliche Ampelschaltungen. Vor allem für Kinder und ältere Menschen gebe es viel Barrieren. „Fußgänger werden im Verkehr benachteiligt“, sagt Hermann. Vor hundert Jahren seien die Fußwege viel breiter gewesen als heute. Heute fühle sich die Stadt zu Fuß an wie ein Hindernisparcours.

Verkehrsminister fordert Engagement von Kommunen

Hermann fordert mehr Engagement von den Kommunen - die müssten systematisch mehr Räume für den Fußverkehr schaffen. Aber viele „Autoverkehrsmenschen“ dominierten die Räte in den Kommunen, kritisiert der grüne Verkehrsminister. Deshalb würden sie häufig nicht so entscheiden wie die Bevölkerung das haben wolle.

In der Allianz der beiden Minister für Schusters Rappen müssen am Mittwoch sogar die Radler einstecken. Scheuer weist darauf hin, dass nicht nur Autofahrer, sondern auch Radfahrer den Fußgängern zunehmend in die Quere kämen. Hermann, selbst begeisterter Radler, pflichtet ihm sogar bei: Beim Radverkehr passiere nun, was auch beim Autoverkehr sichtbar sei: „Man nimmt nicht genügend Rücksicht, man ist nicht vorsichtig“. Man müsse jetzt alles tun, damit sich auch die Radfahrer an Regeln halten und nicht Fußgänger gefährden.