Deutscher Geheimdienst Bundesregierung verteidigt Massenüberwachung des BND im Ausland

Das Grundgesetz schützt die Vertraulichkeit der Kommunikation und die Pressefreiheit. Respektiert das auch der Bundesnachrichtendienst? Journalisten haben ihre Zweifel - und streiten für mehr Kontrolle.
Karlsruhe - Die Bundesregierung hat die weitreichenden Überwachungsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigt. Bei Entwicklungen wie aktuell im Iran, im Irak oder in Libyen würden binnen Stunden verlässliche Informationen benötigt, sagte der Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun (CDU), am Dienstag in Karlsruhe. Die Frage, wer hinter einem Angriff stecke, könne über Krieg und Frieden entscheiden. Die Informationen der Geheimdienste anderer Staaten könnten verzerrt oder interessengeleitet sein.
Die Richter des Ersten Senats verhandeln noch bis Mittwoch über eine Klage der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) und mehrerer ausländischer Journalisten. Dabei geht es um die Befugnisse des BND bei der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland. Das Urteil wird frühestens in einigen Monaten verkündet.
Bei dieser Fernmeldeaufklärung durchforstet der BND ohne einen konkreten Verdacht große Datenströme auf interessante Informationen. Deutsche Bürger dürfen nicht auf diese Weise überwacht werden. Der BND versucht deshalb, ihre Kommunikation vor der inhaltlichen Auswertung auszusortieren. Die gewonnenen Daten werden auch für ausländische Partnerdienste ausgewertet oder an diese weitergegeben.
Darf der BND immer noch zu viel?
Seit Anfang 2017 gibt es im reformierten BND-Gesetz dafür zum ersten Mal eine rechtliche Grundlage. Die Kläger halten die Vorschriften aber für völlig unzureichend. Der BND dürfe immer noch viel zu viel, eine Kontrolle sei kaum vorgesehen. Außerdem sei es technisch kaum möglich, die Kommunikation von Deutschen vollständig auszusortieren. Sie sehen das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit verletzt.
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr sagte, spätestens seit einem Bericht des „Spiegel“ von 2017 sei bekannt, dass der BND im Ausland auch Medien überwache. Das habe „eine enorm einschüchternde Wirkung“. Journalisten seien auf gute Quellen angewiesen. Aber so müssten Informanten befürchten, dass ihre Kommunikation in Datenbanken lande, auf die Nachrichtendienste weltweit jahrelang zugreifen könnten.
Kanzleramtsminister Braun sagte, mit der Gesetzesreform habe man sich auf den Weg gemacht, den Schutz und die Kontrolle auszubauen. Aber die Funktionsfähigkeit der Nachrichtengewinnung dürfe nicht beeinträchtigt werden. BND-Informationen hätten schon Anschläge auf Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan verhindert. Sie kämen auch bei Entführungen, Terrorgefahr und Cyberangriffen zum Einsatz.
6500 Mitarbeiter sind beim BND beschäftigt
BND-Präsident Bruno Kahl versicherte vor Verhandlungsbeginn Journalisten, die Grundrechte der deutschen Bürger und auch der Ausländer würden hinreichend geschützt. Die strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland sei ein unverzichtbarer Bestandteil der BND-Beiträge zum Lagebild der Bundesregierung. Der BND vertraue auf die Weisheit des Gerichts, das auch zu erkennen.
Der Bundesnachrichtendienst ist der deutsche Auslandsgeheimdienst. Mit seinen rund 6500 Mitarbeitern informiert er die Bundesregierung über Entwicklungen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung.
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