Auch ein Mann mit einem deutschen Pass kann straffrei eine Zweitfrau haben. Die Familienrechtlerin Claudia Hohmeister erklärt im Interview, warum ein Gericht kürzlich so entschieden hat.

Karlsruhe - Jüngst hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim entschieden: Auch ein Mann mit einem deutschen Pass kann straffrei eine Zweitfrau haben – sofern er diese Ehe im Ausland eingegangen ist. Zuvor hatte die Stadt Karlsruhe einem gebürtigen Syrer die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Er war 2008 in seiner alten Heimat eine zweite Ehe eingegangen. Das Urteil löste Diskussionen aus. Claudia Hohmeister, Fachanwältin für Familienrecht, erläutert den Fall.

 
Frau Hohmeister, eine Doppel- oder Mehrfach-Ehe ist in Deutschland verboten. Was ist an dem jetzigen Fall anders?
Das Eingehen der Doppelehe in Deutschland wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft, nicht aber die Fortführung einer Zweitehe, die in einem Staat geschlossen wurde, in dem dies erlaubt ist. Wird die zweite Ehe in Deutschland geschlossen, machen sich beide strafbar – sofern der neue Ehepartner von der ersten Ehe wusste.
Was dachten Sie, als Sie von dem Karlsruher Fall hörten?
Als Fachanwältin für Familienrecht denke ich vor allem an die Kinder. Anders als im Laufe der Zeit entstandene Patchwork- oder Stieffamilien-Situationen oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit Kind werden Doppelehen in unserer Gesellschaft, in der Gleichberechtigung der Geschlechter gilt, in der Breite nicht akzeptiert. Diese werden im Gegenteil abgelehnt und als nicht zeitgemäß empfunden.
Wie kann es sein, dass eine solche Doppelehe nicht zu Konsequenzen führt?
Die Realität ist bunt: verheimlichte oder offene Doppelehen, bereits doppelt verheiratete Immigranten, Fälle, in denen zivilrechtlich erstverheiratete Männer eine oder mehrere Frauen religiös „dazuheiraten“ – so unterschiedlich wie diese ehelichen Beziehungen, so unterschiedlich sind auch die rechtlichen Konsequenzen. Theoretisch könnte es Ketten-Doppelehen oder „Baukastenehen“ geben, und zwar, wenn auch die gleichgeschlechtlichen Teilnehmer der Ehe untereinander eine Lebenspartnerschaft schließen könnten.
Kann denn eine solche Zweit-Ehefrau rechtliche Ansprüche aus der Verbindung ableiten?
Soweit und solange zwei Ehen zivilrechtlich wirksam bestehen – wie im vorliegenden Fall –, werden wohl beide Frauen gleichermaßen Anspruch haben, zum Beispiel auf einen Teil der Witwenrente oder auf Versorgungsausgleich. Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch besteht die Möglichkeit zur Aufhebung der Ehe durch jeden der Ehepartner sowie durch die zuständige Verwaltungsbehörde.
Die Rücknahme der Einbürgerung, so das VGH-Urteil, dürfe nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach deren Bekanntgabe erfolgen: Das klingt wie die Verjährungsfrist bei Betrug. Passt das hier?
Beide Verjährungsregelungen basieren auf der rechtsstaatlichen Erwägung des Vertrauensschutzes. Im Fall des „Doppeltmannes“ geht es vielleicht weniger um einen vorsätzlichen Gesetzesverstoß zur Erlangung eines Vorteils, sondern eher um eine vielleicht noch nicht vollständige Identifikation mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Und im Fall der Einbürgerung geht es eher um das schutzwürdige Vertrauen des neuen Staatsbürgers auf den Bestand seiner deutschen Staatsbürgerschaft, weniger um das Vertrauen und um ausbleibende Strafverfolgung.
Karlsruhe geht in Revision, der Fall kommt wohl vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Was halten Sie von diesem Schritt?
Es besteht die Gefahr, dass ein Bemühen um Progressivität – wie es hier erkennbar wird – ungewollt dazu führt, dass integrierungswillige Immigranten die Wertmaßstäbe verlieren. Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bedeutet eben mehr als die Abwehr von Terroristen.