Die deutschen Fechter sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Selbst Stars wie Britta Heidemann und Peter Joppich sind noch nicht für Olympia qualifiziert.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Es ist einer dieser seltenen, wunderbaren Tage, an welchem der Olympiastützpunkt Tauberbischofsheim in altem Glanz erstrahlt. Hochrangige, zum Teil aktuelle und frühere Sportfunktionäre sind da. Ehemalige Fechtgrößen wie Anja Fichtel und Zita Funkenhauser begrüßen die Gäste auf dem Platz vor der Halle. Es duftet im Sommerwind nach dem Parfüm der feinen Damen und Herren.

 

Begleitet wird die gediegene Atmosphäre von einer Saxofon-Kapelle. Höhepunkt der Veranstaltung ist zweifelsfrei der Auftritt von Thomas Bach. Der IOC-Präsident lässt sich höchstpersönlich blicken. Der Tauberbischofsheimer ist als aktiver Florettfechter ja auch einer dieser Helden gewesen, die in den siebziger und achtziger Jahren die beschauliche Kleinstadt im Taubertal mit Medaillen überfluteten. Und auch deshalb ist Bach, seines Zeichens Mannschaftsolympiasieger des Jahres 1976, gekommen: Er hält eine Rede.

Bis heute sind sich alle darüber einig, dass das Wunder von Tauberbischofsheim nur möglich war, weil Emil Beck die Athleten dort drei Jahrzehnte lang drillte. Und so wird an diesem Juli-Sommertag des Fechtpapstes noch einmal in besonderem Maße gedacht. 2006 starb Beck. Vor wenigen Wochen wäre er 80 geworden. Nun wird das imposante Fechtzentrum nach ihm benannt. René Beck, der Sohn des ehemaligen Zampanos, zieht das Tuch von der am Eingang positionierten neuen Namenstafel ab, auf welcher der Schriftzug „Emil-Beck-Halle“ eingraviert ist. Dazu gibt es ein Bild des posthum zu Ehren gekommenen Fechtmeisters – in dirigierender Pose. Als René Beck das Foto von seinem Vater erblickt, ist er zu Tränen gerührt.

Ein Ruf wie Donnerhall

„Emil Beck galt als die maßgebliche Persönlichkeit in der Stadt“, sagt der Tauberbischofsheimer Bürgermeister Wolfgang Vockel, und so habe er die Stadt in aller Welt bekannt gemacht. Er werde ihn jetzt „nicht in den Himmel heben“, doch verdienten seine Arbeit und sein Erfolg Respekt. Auch Thomas Bach lässt durchblicken, dass Beck trotz aller Erfolge ein streitbarer Zeitgenosse war, an dem sich die Geister geschieden hatten. „Wir ehren einen Mann, der niemandem gleichgültig gewesen ist, und jeder hat auch seine Meinung zu Emil und hatte auf seine Weise mit ihm zu tun – doch war er ein Erfolgsmensch und Visionär“, sagt Bach. Und: „Wegen dem Emil hat die Stadt Tauberbischofsheim noch immer einen Ruf wie Donnerhall.“

Gestolpert ist der so hoch Gelobte über den Glauben, dass ihn am Höhepunkt seiner Macht nichts mehr umwerfen kann. Beck verstrickte sich in einem Geflecht zwischen Politik, Wirtschaft und lokalen Interessengruppen. Es ging um Gelder, Postengeschacher, Gefälligkeiten. Um die Interessen seines Imperiums zu wahren, gab es für den zum Provinzfürsten aufgestiegenen Friseur keine Grenzen mehr. Er hatte sich aus dem Sport bereits zurückgezogen, da kam es 2004 zur Anklageerhebung wegen Untreue und Urkundenunterdrückung. Das Gerichtsverfahren konnte zu seinen Lebzeiten nicht zu Ende geführt werden. Beck starb am 12. März 2006 an Herzversagen.

Nun ist das Fechtzentrum nach ihm benannt. Doch hinter den Mauern ist wenig wie es einmal war. Den Olympiastützpunkt leitet der tapfere Ex-Olympiasieger Matthias Behr, ein Zögling und Bewunderer Becks, der aber auch mächtig unter der Herrschaft und den Alleingängen des beratungsresistenten Chefs gelitten hatte. Aus der Medaillenschmiede ist ein Stützpunkt geworden, der noch ein bisschen vom verstaubten Ruf vergangener Jahre lebt – von wegen Donnerhall, wie es Bach formuliert. Was fehlt, sind die Medaillen. Und ohne sie kann auch keine Rede davon sein, dass das Beck’sche Erbe in TBB noch spürbar ist.

Die deutsche Klingenkunst hat Probleme

Doch auch die anderen Kaderschmieden tragen dazu bei, dass die deutsche Klingenkunst im internationalen Vergleich Probleme hat. Das letzte Debakel handelte sich die Equipe bei der WM in Moskau ein. „Platz zwölf im Medaillenspiegel, zweimal Bronze – so ein schlechtes Ergebnis war seit 1982 nicht mehr im Gepäck“, sagt Behr. Für den Sportdirektor des Deutschen Fechterbundes (DFeB), Sven Ressel, war dieses Resultat einfach nur „ernüchternd“.

Nicht nur in TBB, auch in anderen deutschen Stützpunkten ist im Hinblick auf Professionalität und moderne Trainingsmethoden der Stillstand erkennbar. Nach der Sommerpause müssen sogar Größen wie Britta Heidemann und Peter Joppich auf Weltcupturnieren Vollgas geben, um sich noch für die Spiele 2016 in Rio zu qualifizieren. Der DFeB rechnet an der Copacabana bestenfalls mit einer Rumpftruppe.

Die anderen Nationen haben schon seit Jahren mächtig aufgeholt. Fechter in Russland oder Italien gelten als echte Profis. Sie sind finanziell so abgesichert, dass sie sich voll und ganz auf ihren Sport konzentrieren können. Man müsse sich hierzulande über noch mehr Kaderlehrgänge und Weltstandards im Training bemühen, und man habe das auch vor, sagt Matthias Behr.

Derweil soll das Bild von Emil Beck am Eingang des Tauberbischofsheimer Fechtzentrums auf dem Weg in bessere Zeiten auch seinen Beitrag leisten. „Der Emil wird jeden Morgen den Finger heben und einem ankommenden Fechter mitteilen: ,Du bist schon wieder zu spät!’“ Das sagt am Ende seiner Rede Thomas Bach – und der weiß, wovon er spricht.