Der neue Länderindex stuft Deutschland als viertletzten unter 21 Industriestaaten ein. Aber was folgt daraus?

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

In den digitalen Klatsch- und Lästerrunden der sozialen Netzwerke werden gerade schenkelklopfend die Untergangsszenarien aus dem vergangenen Sommer zitiert. Amüsiert teilt man die düstersten Prognosen, die dann doch nicht eingetreten sind – zum Beispiel die Warnung der bayerischen Unternehmer, dass nach einem Gaslieferstopp durch Russland die deutsche Wirtschaft um mehr als zwölf Prozent schrumpfen würde. Hinterher ist leicht lachen. Aber der Spott ist auch verständlich. Schließlich fehlt es bei uns ja selbst in Boomphasen nie an Kassandrarufen, es gehe mit Deutschland bergab.

 

Auch die Stiftung Familienunternehmen erzählt nichts wirklich Neues, wenn sie anhand der neuen Rangliste der Wirtschaftsstandorte über hohe Steuern und übertriebene Regulierung klagt. Das hat sie vor zehn Jahren schon nahezu wortgleich getan. Der Abstieg vom 14. auf den 18. Platz unter 21 Industrienationen hört sich dramatisch an, dokumentiert aber eher graduelle Verschiebungen als grundstürzende Umwälzungen. Außerdem weiß man aus jüngster Erfahrung: Der Ruf von Unternehmensverbänden nach geringeren Steuern wird in Krisenzeiten schnell von ihrem Ruf nach staatlichen Hilfsprogrammen übertönt.

Die bürokratischen Regeln nehmen zu

Trotzdem wäre es falsch, die Studienergebnisse als belanglos abzutun. Denn der Befund, dass sich an bekannten Defiziten nichts bessert, ist bitter. Die bürokratischen Regeln, die den Alltag kleiner und mittlerer Unternehmen besonders belasten, sind real. Sie werden nicht weniger, wie es seit Jahren von Betrieben, Kommunen und auch der höheren Politik gefordert wird, sondern mehr. Der Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger hat dafür die treffende Formulierung gefunden: „Wir sind Erkenntnisriesen, aber Handlungszwerge.“

Der Schwergang auf vielen Feldern tritt noch stärker ins Bewusstsein, nachdem das vergangene Jahr gezeigt hat, wie schnell und radikal Veränderungen möglich sind, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Wer hätte geahnt, dass Deutschland so viel Gas einsparen und sich – wenn auch unter vielfältigen Schmerzen zwischen Katar und Lützerath – vom russischen Lieferanten verabschieden kann? Wirtschaftsminister, Privatleute, Unternehmer – viele können stolz darauf sein, den Handlungsriesen in sich entdeckt zu haben.

Der Sinn für Prioritäten ist vernebelt

Der Alltag hingegen: ein Hamsterrad mit schlecht geschmierter Achse. Die Digitalisierung holpert, der Umbau der Infrastruktur genauso. Stromtrassen und -speicher: es geht im Schneckentempo voran. Fachkräftemangel, Einwanderung, wo man hinschaut, ein zähes Spiel. Gleichzeitig sprießen in den Betrieben neue Bevollmächtigte hervor, die neue Regeln überwachen und die Überwachung dokumentieren müssen – von der verschärften Verpackungsverordnung bis zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Fast alles ist in der Grundidee richtig, das Problem liegt in teils übertriebener Gründlichkeit und einer Gleichzeitigkeit aller Anforderungen, die den Sinn für Prioritäten vernebelt.

Von Brüssel über Berlin bis, sagen wir, Biberach – es fehlt nicht an Regulierern. Sie werden die eigenen Handlungsfelder kaum selbst beschneiden, auch wenn es immer wieder Anläufe dazu gibt, wie jetzt in Baden-Württemberg. Als der damalige Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus vor zwei Jahren in Berlin nach einer Revolution für die Verwaltung rief, ist es auffallend still geblieben.

Resignation aber löst kein Problem. Es wird weitere Warnrufe brauchen – aus der Wirtschaft, vor allem aber aus der Gesellschaft. Ohne Fokussierung auf die großen Fragen – Klimaschutz, Digitalisierung, Generationengerechtigkeit – wird es nicht gehen. Veränderung kostet Kraft, und sie braucht Handlungsriesen auf allen Ebenen.