Der Bischof ist weg, aber die Knödel sind noch da. Und die Pizza auch. Ein Spaziergang durch Limburg, die Perle an der Lahn.
Limburg - Als der Bischof an Bord eines Billigfliegers zur Levitenlese nach Rom abgereist ist, tritt Don Camillo auf den Plan. Don Camillo heißt eigentlich Giuseppe Rizzo, aber unter diesem Namen kennt ihn kaum jemand in Limburg an der Lahn. Er führt seit mehr als 20 Jahren das Ristorante Don Camillo in der Altstadt und serviert seinen Gästen zuweilen das Essen im Gewand einer Soutane. Filmfotos zieren den Speiseraum ebenso wie ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 2003, der Don Camillos erste Limburger Rettungsaktion dokumentiert. Damals wollte die Stadt ihren Dom spätabends nicht mehr anstrahlen, um Kosten zu sparen.
Giuseppe Rizzo alias Don Camillo erbot sich, für die Illumination aufzukommen. Nun hat Rizzo aus aktuellem Anlass eine „Pizza alla Bischof“ erfunden und auf die Karte gesetzt. Garnelenschwänze ragen in die Höhe wie die Türme des Doms, und in der Mitte des Teigfladens steht ein Miesmuscheltrio aufrecht wie eine Bischofsmütze. Don Camillo verlangt für seine Pizza einen exorbitanten Betrag, knapp 25 Euro, die er jedoch in voller Höhe für einen karitativen Zweck spendet. Wenn die Aktion beendet ist, will er die Bischofspizza weiter zum normalen Tarif anbieten. Über exorbitante Summen wird derzeit an allen Ecken und Enden des überschaubaren Limburg geredet.
Kirchenmetropole gleich hinter Rom?
Eine Stadt diskutiert. Ob an der Kasse im Kaufhaus, an der Kneipentheke oder auf dem Platz vor dem Dom: Überall gibt es nur ein Thema. Menschen stehen in Gruppen beieinander und erörtern den Skandal um den Oberhirten des Bistums. Es geht um die Bauwut, den prätentiösen Lebensstil und die damit verbundene Kostenexplosion des neuerdings in Auszeit befindlichen Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Eine Nachrichtenagentur meldet rasant steigende Besucherzahlen in Limburg, das Amtsgericht dagegen vermehrte Kirchenaustritte. Kraftfahrzeuglenker, die den Dom von der Autobahnbrücke aus in seiner ganzen Pracht aufgebaut sehen, sollen, so heißt es, in Scharen spontan die nächste Ausfahrt nehmen, um sich persönlich ein Bild zu machen. Limburg plötzlich prominent?
Weltstadt mit ihren nur knapp 35 000 Einwohnern? Kirchenmetropole gleich hinter Rom? „Limburg hatte schon im 12. Jahrhundert eigene Maße, Münzen und Märkte, dazu Türme, Tore und mächtige Mauern“, stellt Stadtführer Winfried Prokasky klar. Die Perle an der Lahn lag nämlich am bedeutenden Handelsweg Köln-Frankfurt, der sich mitten durch die Altstadt zog. Heute ist sie verkehrsberuhigt, will heißen autofrei, und ein Schmuckstück. Keine einzige Bombe fiel hier im Zweiten Weltkrieg. Auf dem Kalkfelsen über der Lahn drängen sich über 360 vorbildlich renovierte Fachwerkhäuser, einige davon aus der Zeit vor 1300. „Ein wahrer Schatz“, sagt Stadtführer Prokasky. Wie an allen derart malerischen Orten finden sich in den steilen Gassen überall Cafés, Kneipen und Restaurants nebst einer stattlichen Anzahl von Boutiquen und Lädchen, die hübsche Dinge anbieten, die man nicht unbedingt braucht, aber in Ausflugslaune gern kauft. Herr Prokasky ist nicht für derlei Ablenkungen im Parterre zuständig, sondern lenkt den Blick seiner Gäste auf Giebel, Erker und Türmchen.
Er kann ebenso anschaulich von der Baukunst des gotischen Hallenfachwerks wie aus der Geschichte erzählen, von General Blücher etwa, der im Nassauer Hof die Zeche prellte und so dem „Nassauern“ den Namen gab. In letzter Zeit hören ihm die Besucher dabei aber oft unkonzentriert zu. Denn sie wollen vor allem eines: schnellstmöglich hinauf zum Domplatz, um einen Blick auf den skandalträchtigen Bischofssitz zu erhaschen, der offiziell „Diözesanes Zentrum Sankt Nikolaus“ heißt. Man sieht aber nicht viel, weil eiserne Tore, hohe Mauern und dichte Hecken das Anwesen festungsgleich umgürten. Das Konglomerat aus renovierter historischer Substanz und teils in den Fels gewühlten Neubauten hat die ursprünglich angesetzten Kosten mittlerweile zigfach überschritten und schlägt bei derzeitigem Kenntnisstand mit mehr als 30 Millionen Euro zu Buche. „Eine merkwürdige Baustelle war das von Anfang an“, sagt Herr Prokasky, „mit doppeltem Bauzaun und Wächtern samt scharfen Hunden.“
Tebartz-van Elst hat sie für knapp 800 000 Euro umgestalten lassen
Was die Limburger am meisten erregt, ist die Sache mit dem Mariengarten. Kurz vor Amtsantritt des neuen Bischofs war die Grünanlage neu gestaltet der Öffentlichkeit zur Erbauung übergeben worden. Tebartz-van Elst hat sie zum privaten Designergarten umfunktionieren und für knapp 800 000 Euro komplett umgestalten lassen. Klarsichthüllengeschützt hat jemand den aktuellen Zeitungsartikel zu diesem Nebenkriegsschauplatz des Gesamtskandals an das hölzerne Portal angeschlagen wie weiland Luther seine Thesen. Es gibt keinen Limburger, der nicht dem alten Bischof Franz Kamphaus nachtrauert, welcher ein Vierteljahrhundert lang bescheiden-freundlich das Amt führte, bevor dieser als liberal geltende Diener des Glaubens von einem autokratischen Kirchenfürsten nach alter Art abgelöst wurde.
Dabei wurde Limburg überhaupt erst 1827 Bischofssitz und ist zudem keinesfalls die Heimat des Limburger Käse, der aus der gleichnamigen Stadt in den Niederlanden stammt. Was hier zum Himmel stinkt, ist also kein Naturprodukt. Einen Steinwurf vom Museum mit dem Domschatz entfernt ragt der spätromanische Dom, der einst den Tausendmarkschein zierte, mit seinen sieben Türmen auf. In einer Rekordzeit von 30 Jahren wurde er gebaut, 1235 feierlich eingeweiht. Über die Baukosten spricht heute keiner mehr. Aber jeder ist ergriffen von diesem steinernen Gotteslob - selbst die Kraftfahrer auf der nahen Autobahnbrücke, unter der die Lahn in ihrem weiten Tal ruhig dahinströmt.
Ein Stück unterhalb des Dombergs stellt die Kellnerin des „Batzenwert“ ein Schild heraus. „Heute wieder Bischofsknödel“, steht darauf. Die Klöße sind mit Blut- und Leberwurst gefüllt. Zusammen mit dem Sauerkraut sind sie ein bewährtes Traditionsgericht, das sich neuerdings großen Zuspruchs erfreut. Das Gericht schmeckt, vor allem wegen der pikanten Wurstfüllung. Der Bischof aber soll besser bleiben, wo der Pfeffer wächst, meinen die meisten Limburger.
So wird das Reisewetter in Deutschland
Infos zu Limburg
Unterkunft
Nassauer Hof an der alten Lahnbrücke, 30 Komfortzimmer und Sauna, DZ mit Frühstück ab 94 Euro, günstige Wochenend-Arrangements, www.hotel-nassauerhof-limburg.de
Pension Bella Cittá Vecchia, neun gemütliche Zimmer im Fachwerkbau direkt in der Altstadt, DZ mit Frühstück ab 85 Euro, www.bella-citta-vecchia.de .
Essen und Trinken
Bischofsknödel beim „Batzewert“, Pizza alla Bischof bei „Don Camillo“, ansonsten viel deftige hessische Küche wie Limburger Säcker im „Schlössje“ und feine Kuchen und Torten im „Café Will“.
Sehenswert
Nicht verpassen: Dom und Diözesanmuseum mit Domschatz (noch bis 15. November geöffnet, Dienstag bis Samstag 10-13 Uhr und 14-17 Uhr, Sonnund Feiertag 11-17 Uhr, Eintritt drei Euro). Das nahe gelegene Diezer Schloss: www.neues-schloss-diez.de
In der Umgebung das malerische Weilburg an der Lahn und die Burgruine Balduinstein.
Allgemeine Informationen
Tourist Information Limburg, Bahnhofsplatz 2, Telefon 0 64 31 / 61 66, www.limburg.de.
Fan werden auf Facebook: https://www.facebook.com/fernwehaktuell