Nirgendwo in Europa gibt es so viele Bio-Erzeuger wie in Hohenlohe. Kein Wunder, dass diese Region für Genießer auch schon Prinz Charles begeisterte.

Was für ein veritabler Saustall! Es grunzt und quiekt, und überall wird der Boden von neugierigen Nasen aufgewühlt, die stets auf der Suche sind nach Knollen und Wurzeln, Fallobst und Eicheln. Fast wie vor 200 Jahren, als Maskenschweine aus China den Weg nach Württemberg gefunden hatten und mit heimischen Rassen gekreuzt wurden, tummelt sich eine Herde putzig aussehender Tiere auf der Waldweide. Verantwortlich für diese ganze Sauerei ist Rudolf Bühler. Vor 30 Jahren riefen Bühler und einige Mitstreiter die Züchtervereinigung Schwäbisch-Hällisches Landschwein ins Leben. Der Handel rief nach mageren Rassen, gemästet mit Leistungsfutter und gesund gespritzt mit Antibiotika. Die Landwirte aber schätzten ihre robusten Nutztiere. „Hohenloher Bauern haben ihren aufrechten Gang nie verlernt“, sagt der gemütliche Mann mit rebellischer Ader. „Man braucht Wertschöpfung und Wertschätzung, um zu überleben. Deswegen setzen wir auf ehrliches Handwerk und alte Spezialitäten.“

 

Inzwischen betreibt die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall einen Schlachthof und eine Käserei sowie einen Einkaufsmarkt mit Tausenden regionalen Produkten. 1450 Betriebe sind Mitglied, ein Drittel setzt wie ihr Vorsitzender Bühler auf ökologische Landwirtschaft. „Nirgendwo in Europa gibt es auf so kleinem Raum so viele Bio-Erzeuger wie in Hohenlohe“, sagt er. Sogar Prinz Charles, ein Freund des nachhaltigen Wirtschaftens, kam deshalb schon zu Besuch. Der britische Thronfolger pfiff aufs Protokoll und streichelte ein „Mohrenköpfle“, wie man die Schweine mit schwarzem Kopf und schwarzem Hinterteil hier nennt. Hohenlohe sei eine „besonders zärtlich ausgeformte Handvoll Deutschland“, rühmte Eduard Mörike: Der Pfarrer hatte das Hügelland um die Täler von Jagst, Kocher und Tauber durchwandert, bevor er Dichter wurde. Bisweilen wirkt die ländliche Gegend, als sei die Zeit im 19. Jahrhundert stehengeblieben. Burgen und Schlösser des Hohenloher Fürstengeschlechts krönen die Anhöhen, unten säumt ein Flickenteppich aus Wäldern, Weiden und Wiesen die winzigen Weiler. Auf manchen Feldern wiegen sich sogar die Halme von alten Getreidesorten wie Dinkel oder Emmer im Wind.

Die Region wird auch als Weinanbaugebiet genutzt

Auf den Streuobstwiesen stehen neben Apfel-, Quitten- und Zwetschgenbäumen auch die Hochstämme der Schlankelesbirne. Enthusiasten verwandeln ihren Saft in Schaumweine und Schnäpse. Auch als Weinanbaugebiet wird die Region gepriesen - wenn man auf Qualität statt Quantität setzt. „Seit 1253 verschreiben sich die Fürsten von Hohenlohe-Oehringen dem Weinbau“, sagt Kellermeister Joachim Brand. Der umtriebige Fachmann ist für eine kleine Palastrevolution verantwortlich: Unter seiner Regie stellte das Weingut auf Bio-Anbau um und produziert seither eine hochklassige Kollektion an Rieslingen, Lembergern und Spätburgundern. Das 300 Jahre alte und 21 000 Liter fassende „Fürstenfass“ der Wiesenkelter ist nur noch Deko. Die noblen Weine reifen inzwischen in kleinen Barriquefässern. Das „Boeuf de Hohenlohe“ wurde einst bis nach Paris exportiert und erlebt nun eine Renaissance: Die Weideochsen vom Limpurger Rind, Württembergs ältester noch existierender Rasse, grasen im Sommer an den Hängen der Flusstäler und fressen auch im Winter nur Heu. Auch die stolzen Landgockel aus der Region haben mit konventionell gezüchteten Tieren nichts gemein. Auf den Käsewagen liegen Delikatessen aus Schafsrohmilch und Spezialitäten der Dorfkäserei Geifertshofen. Auf den Tisch kommt also nicht nur das, was die Mundart-Band Annâweech in ihrer Heimathymne preist - „Schlachtplatt’ mit Kraut und Schbatzâ von Hand, geit’s im Hohâloher Land.“ Die Genießer-Region bietet auch feinere kulinarische Offenbarungen.

Dazu muss man für einen Schluck bei Bernulf Schlauch vorbeischauen, der im Dorf Bächlingen ein kleines Hexenhaus bewohnt. In einem früheren Leben war der Pfarrerssohn Bio-Bauer und Lokaljournalist und kennt daher Land und Leute. Heute koordiniert er die Slow-Food-Bewegung in Hohenlohe. Deren Einkaufs- und Restaurantführer „Netzwerk des guten Geschmacks“ lotst Kunden zu den besten Adressen. „Hier gibt’s viele Individualisten, die trotz Widerständen ihr Ding machen. Da wird so lange rumprobiert, bis die Qualität stimmt“, sagt Bernulf Schlauch. Auch er hat seine Nische gefunden. Im Sommer kämpft er sich durch Wald und Flur, um duftende Holunderblüten zu ernten. Die werden mit Wasser, Zucker und einem Hauch Zitronensäure angesetzt - ohne den Zusatz von Hefen, denn die würden den Geschmack verfälschen. Der liebliche Trunk gärt erst in der Sommersonne, wird dann filtriert und in Champagnerflaschen abgefüllt. Sie werden von Hand gerüttelt, bis sich der Blütenstaub abgesetzt hat und beim Degorgieren als Pfropfen herausploppt. „Ich arbeite nach dem klassischen Versektungsverfahren“, sagt Schlauch. Sekt darf er das Perlgetränk mit zwei Prozent Alkohol aber nicht nennen, dafür müsste es aus Traubensaft sein. „Also gibt’s bei mir eben Hohenloher Holunderzauber.“ Inzwischen wandern auch weitere Blüten der Region in die Flasche: Der Rosenzauber hat einen lieblichen, der Akazienzauber einen herberen Geschmack. So können sich die Hohenloher die Aromenvielfalt ihres Sommers jetzt auch im Winter schmecken lassen.