Berlin und Paris müssen ihre Beziehung neu beleben. Der neue französische Präsident Emmanuel Macron ist dafür ein Glücksfall, findet StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy, François Hollande: Persönlich ist Angela Merkel mit französischen Präsidenten mal besser, mal schlechter klargekommen. Politisch war die Zusammenarbeit jedoch fast immer eng, mitunter gar so symbiotisch, dass Merkel und Sarkozy auf dem Höhepunkt der Eurokrise zu „Merkozy“ verschmolzen. Und doch ist die Beziehung zwischen Berlin und Paris sichtbar in die Jahre gekommen, wurde behäbig und antriebsarm. Man ist zusammen, weil man es immer war, aber gemeinsame Ziele fehlen.

 

Nun also ist Emmanuel Macron an der Reihe. Wer bei dessen Antrittsbesuch in Berlin das Raufen um die besten Bilder mit dem neuen Präsidenten gesehen hat, der merkt: Der junge Franzose bringt Pfeffer in die Beziehung. Macron ist sich dessen sehr bewusst. Er weiß aber auch, dass er Frankreich reformieren muss, mehr noch: Er ist sogar mit diesem Wahlversprechen angetreten. Es ist sein Mantra, dass Frankreich seine Verpflichtungen einhalten muss, wenn es in Europa respektiert werden will. Ohne Reformen wird er seine Ziele nicht erreichen können. Wie seine Chancen zur Umsetzung stehen, darüber entscheiden vor allem die Parlamentswahlen im Juni.

Macron braucht Unterstützung aus Deutschland

In dem Maße jedoch, wie Macron glaubwürdige Reformschritte einleitet, braucht er die Unterstützung Deutschlands. Da geht es nicht um vermeintliche deutsche Vorleistungen oder ein gnädiges Außerkraftsetzen gemeinsam beschlossener Regeln, wohl aber um ein wohlwollendes „do ut des“ und um Hilfe, wo immer möglich.

Wer hierzulande daran zweifelt, ob Entgegenkommen notwendig ist, der sei noch einmal an den 7. Mai erinnert, die zweite Runde der Präsidentschaftswahl. Es stand nicht nur Frankreich, sondern Europa am Scheideweg zwischen einem, der explizit für europäische Werte geworben hat, und einer Demagogin und Isolationistin, die in allen Kommunen, in denen ihre Partei regiert, die Europaflagge abhängen lässt. Vor diesem Hintergrund ist es abwegig und unwürdig, dass deutsche Politiker Macron eine logische Sekunde nach seiner Wahl unterstellten, eine Vergemeinschaftung der europäischen Schulden zu fordern – und diese prophylaktisch ablehnten.

Die Vorschläge Macrons auf europäischer Ebene lohnen eine genaue Prüfung und wohlwollende Betrachtung, selbst wenn mitunter nicht klar ist, was genau gemeint ist. Eine Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit, etwa über gemeinsame Vertretungen in internationalen Gremien, ist genauso erstrebenswert wie Initiativen zum Ausbau der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Angesichts der internationalen Bedrohungslage sind Fortschritte hier zwingend. Auch die vertiefte Zusammenarbeit in der Eurozone ist notwendig, da die Währungsunion ohne politische Union nicht komplett ist.

Viele Ideen noch unklar

Welche Befugnisse ein Eurofinanzminister haben soll, wie sein Budget aussieht, ist jedoch recht unklar, wie vieles andere in der Wundertüte Macrons. Klar ist jedoch: Nach den Wahlen 2017 liegen vier Jahre vor Frankreich und Deutschland, in denen sich die Zukunft der EU und der Eurozone entscheidet. Links des Rheins sind viele Hausaufgaben zu erledigen, die rechts des Rheins nach Kräften unterstützt werden müssen. Dazu gehört aber auch – das wird in diesen Tagen klarer denn je – ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, das Staaten, die mit der Integration voranschreiten wollen, diese Gelegenheit eröffnet.

Bei der Begrüßung Macrons bemühte die Kanzlerin das kitschigste aller Hesse-Zitate („Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“). Merkel wäre nicht Merkel, hätte sie es nicht ergänzt: „. . . wenn es auch zu Resultaten kommt“. Tatsächlich benötigen die Kanzlerin und der Präsident dringend Resultate. Wer immer künftig im Kanzleramt sitzt, der muss wissen: Wenn es mit diesem Präsidenten im Élysée-Palast nicht gelingt, wird es wohl nie gelingen.