Kurz vor Schluss hat Joachim Löw im Spiel gegen Brasilien Cacau aufs Feld geschickt. Es war so etwas wie die Krönung seiner Karriere.
Stuttgart - Und dann hat Joachim Löw noch ein Einsehen gehabt. Unermüdlich ist Cacau zuvor in einem signalroten Leibchen hinter dem deutschen Tor auf und ab gelaufen und hat sich die Oberschenkel gedehnt; und die Leute im Publikum haben immer lauter seinen Namen gerufen. Kurz vor Schluss war es endlich soweit, jetzt schickte ihn der Bundestrainer aufs Feld. Ihm blieben nur zwei Minuten plus Nachspielzeit in einem Testspiel - weil der Gegner aber Brasilien hieß, war es für Cacau viel, viel mehr: Für ihn war es so etwas wie die Krönung seiner Karriere.
Der Kreis hat sich also geschlossen. Als deutscher Nationalspieler hat er in seiner neuen Heimat Stuttgart gegen seine alte Heimat Brasilien spielen dürfen. Für völlig verrückt hätte er jenen erklärt, der ihm das vor zwölf Jahren vorausgesagt hätte, als er in München ankam.
Am Flughafen wartete niemand
In Brasilien hatte er keinen Proficlub gefunden und wollte mit 18 in Deutschland sein Glück versuchen. Einen beigen Anzug hatte er sich ausgeliehen und sich eine Krawatte umgebunden, weil ihm gesagt worden war, dass bei der Ankunft Fotografen und Kamerateams auf ihn warteten. Am Münchner Flughafen wartete dann jedoch niemand auf ihn, keine Presse und schon gar kein Vereinspräsident mit Blumenstrauß. Es war ein mehr als zäher Beginn. Erst nach langer Suche heuerte er bei Türk Gücu München an, in der Landesliga, für 500 Euro im Monat, die er jedoch nur selten bekam. Cacau gab trotzdem nie auf. Über die zweite Mannschaft von Nürnberg schaffte er es in die Bundesliga, 2003 wechselte er zum VfB und ist hier längst der dienstälteste Spieler. Ihm war es vorbehalten, am Samstag gegen Schalke das allererste Tor in der neuen Arena zu schießen.
In Korb im Remstal ist er heimisch geworden und beantragte Anfang 2009 die deutsche Staatsbürgerschaft - nicht weil er auf eine Karriere im DFB-Team hoffte, sondern weil er seine Verbundenheit zum Land ausdrücken und seinen Kindern den langfristigen Verbleib sichern wollte. Beim Einbürgerungstest waren 17 richtige Antworten nötig - Cacau beantwortete alle 33 Fragen. Dass er wenig später Nationalspieler werden würde, das konnte sich Cacau auch damals noch nicht vorstellen.
Viel mehr geht nicht
Nur als Platzhalter wurde er auf der Asienreise im Mai 2009 angesehen, weil die Stars zu Hause blieben. Cacau blieb aber auch im Team, als alle wieder da waren. Er durfte mit zur WM nach Südafrika und schoss im Auftaktspiel gegen Australien den Treffer zum 4:0-Endstand. Es sei sein bisher größtes, sein emotionalstes Erlebnis als Fußballer gewesen, hat Cacau anschließend gesagt. Sein Auftritt am Mittwoch in Stuttgart war wieder so ein Moment. Jetzt hat er hat eine WM gespielt, er hat gegen Brasilien gespielt - viel mehr geht nicht.
18 Länderspiele hat Cacau bestritten, und man weiß nicht, ob noch viele dazu kommen. 30 Jahre ist er, und von unten drängen all die jungen Überflieger nach. Der tief gläubige Christ, für den DFB als Integrationsbotschafter im Einsatz, würde es verkraften, wenn sie irgendwann an ihm vorbeiziehen. Cacau hat schon jetzt viel mehr erreicht, als er sich jemals vorstellen konnte.