Gegen England hat die Nationalmannschaft eine Pleite einkassiert. Beim Testspiel gegen Italien will die DFB-Auswahl nun zeigen, dass sie noch den nötigen Siegeswillen hat.

Berlin - Als Bundestrainer bekommt man im Laufe einer Länderspielreise ja sehr viele Fragen gestellt. Von den Spielern, den Assistenten und den vielen anderen Mitarbeitern ums Team herum; von den Fans vor dem Mannschaftshotel, den Fachjournalisten – und manchmal auch von einem Kinderreporter von der Schülerzeitung. „Herr Löw, wie geht man mit so einer Niederlage um?“, das wollte der elfjährige Leonhard nach dem 2:3 der deutschen Fußball-Nationalelf gegen England wissen. So ein Ergebnis sei „nicht ganz so schwer zu verkraften“, antwortete Löw, damit könne man „auch mal leben“.

 

Wahrscheinlich wird der Bundestrainer auch nicht vor Wut mit den Fäusten auf den Tisch trommeln, wenn beim Länderspiel gegen Italien an diesem Dienstag in München (20.45 Uhr/ARD) die nächste Niederlage folgt. Oft genug hat Löw seit dem WM-Titel betont, dass ihn die Ergebnisse solcher Partien nicht besonders interessieren. Was soll’s also, dass es gegen England bereits die dritten Testspielniederlage hintereinander setzte und seit dem Triumph von Rio nur eines dieser Spiele gewonnen wurde (1:0 in Spanien im November 2014)? „Wenn es darauf ankommt“, sagt Joachim Löw immer, „werden wir wieder da sein.“

Durchwachsene Monate liegen hinter der Elf

Viele gute Gründe hat es bisher dafür gegeben, dass 20 sehr durchwachsene Monate hinter der Weltmeisterauswahl liegen. Der natürliche Spannungsabfall nach dem größtmöglichen Erfolg, der Rücktritt von zentralen Führungsfiguren, die vielen verletzten Spieler – all das erklärte die ungewohnt holprig bewältigte EM-Qualifikation; mit dem Termin inmitten einer Saisonphase, in der die Spieler mit ihren Gedanken eher bei ihren Vereinen und in der Champions League sind, lässt sich die Pleite gegen die Engländer erklären (und notfalls auch eine weitere gegen Italien).

„Man ertappt sich dabei, wie man immer wieder einen Schritt zu wenig macht“, sagt Thomas Müller nach dem England-Spiel: „Der eine sagt hü, der andere macht hott – so kann es nicht funktionieren.“ Aus einer 2:0-Führung wurde ein 2:3, „nachdem wir nach einer Stunde den Betrieb komplett eingestellt hatten“, wie Sami Khedira meint. Einerseits sei es „vielleicht gut, dass uns die Augen geöffnet wurden“ – denn spätestens jetzt wisse wieder jeder, „dass wir beim Turnier 90 Minuten lang fokussiert bleiben müssen“.

Andererseits fragt sich nicht nur der Ersatzkapitän, warum nach all den vorangegangenen Erfahrungen ein weiterer Weckruf nötig war. Schon zu Beginn des Jahres habe sich die Mannschaft am Rande von Marketingaktivitäten zusammengesetzt, habe die aktuelle Situation erörtert und beschlossen, die beiden Testspiele gegen England und Italien dafür zu nutzen, mit guten Leistungen den EM-Countdown einzuläuten. Nun bleibt dafür nur noch eine Chance, und Sami Khedira versichert: „Es ist nicht so, dass wir sagen: schauen wir einfach mal, was dabei rauskommt.“ Das Ergebnis sei „wichtig“, ergänzt der Assistenztrainer Thomas Schneider, „wir haben uns unter Druck gesetzt und müssen liefern“. Alles andere werde sich dann in der EM-Vorbereitung regeln: „Dann haben wir genug Zeit, um wieder richtig in Fahrt zu kommen.“

Die Zweifel in der Öffentlichkeit mehren sich

Vorerst aber mehren sich in der Öffentlichkeit die Zweifel, ob der Schalter wirklich so einfach umzulegen ist, ob es tatsächlich gelingt, rechtzeitig wieder die Spannung aufzubauen und die vorhandenen Baustellen zu schließen: Dazu gehören nicht nur die Probleme, die sich ohne Mats Hummels und Jérôme Boateng in der Innenverteidigung auftun sowie die fehlenden Alternativen auf den Außenverteidigerpositionen. Sondern vor allem: die Suche nach dem verloren gegangenen Erfolgshunger und der Siegermentalität, die bei der WM nicht zuletzt Philipp Lahm, Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger vorgelebt haben. Die ersten beiden sind zurückgetreten, der andere derzeit verletzt. Sehr fraglich, ob Edeltechniker wie Mesut Özil oder Marco Reus in der Extremsituation eines Turniers ebenfalls in der Lage wären, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Gegen England waren sie unsichtbar.

Ein bisschen mehr Spannung darf gerne auch Joachim Löw wieder aufbauen, auch wenn er weiß, dass er als Weltmeistertrainer auf alle Zeiten unantastbar bleibt. Am Ende seiner Antwort auf die Frage des Schülerreporters nach dem Umgang mit der Niederlage versuchte er es zumindest. „Doch, doch, man ärgert sich schon“, schob der Bundestrainer nach. Und lachte dabei.