Deutschland hinkt hinter her Wie wir uns besser vor chronischen Krankheiten schützen

  Foto: Katharina Klink

In Deutschland erkranken mehr als eine halbe Million Erwachsene jährlich an Diabetes Typ 2. Ursachen sind zu wenig Bewegung und üppiges, ungesundes Essen.

Eigentlich sind es gute Nachrichten: Immer weniger Menschen sterben weltweit an chronischen Krankheiten. Doch Deutschland hinkt hinterher, und das liegt hauptsächlich am Lebensstil.

 

Die meisten Menschen sterben nicht an Malaria, HIV oder anderen Infektionen, sondern an chronischen Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Herzinfarkt. Doch deren Quote, so der ehrgeizige Plan der UN, soll bis 2030 um mindestens ein Drittel zurückgegangen sein. Ein internationales Forscherteam um Majid Ezzati vom Imperial College in London hat nun untersucht, ob man auf dem richtigen Weg dorthin ist.

In reichen Staaten stagniert die Bekämpfung von chronischen Krankheiten

Dazu erfasste man die medizinischen Daten aus 185 Ländern und analysierte sie im Hinblick darauf, wie sich die Zahl der Sterbefälle durch nicht-infektiöse Krankheiten von der ersten bis zur zweiten Dekade dieses Jahrtausends entwickelt hat. Es zeigte sich, dass sie in vier von fünf Ländern deutlich zurückging.

Die Frauen mit dem geringsten Risiko für den Tod durch eine chronische Erkrankung leben aktuell in Japan, und die Männer mit dem geringsten Risiko in Singapur. Auch in China, Ägypten, Nigeria, Russland, Brasilien und den skandinavischen Staaten ging das Risiko deutlich nach unten. „Doch in einigen Ländern stagnierte oder verlangsamte sich der Rückgang“, betont Epidemiologe und Biostatistiker Ezzati. Und darunter seien auch Staaten, die eigentlich genug Geld für die Gesundheitsvorsorge haben.

Wie etwa die USA, bei denen der Rückgang am schwächsten von allen westlichen Industrienationen ausfiel. In Deutschland sieht es nicht viel besser aus: Es hat den drittschwächsten Rückgang bei den Männern und den zweitschwächsten bei den Frauen, die im Alter zwischen 30 und 40 sowie 65 bis 75 Jahren sogar ein ansteigendes Risiko für den Tod durch eine chronische Krankheit zeigen.

Für das Hinterherhinken der beiden Länder gibt es mehrere Gründe. So haben sich hier durch klinische Leitlinien und schnellere und bessere Behandlungen zwar die Überlebenschancen erhöht. „Doch mittlerweile scheinen die Dinge, die vorher geholfen haben, ihre maximale Wirkung erreicht zu haben, während die Faktoren, die Schaden anrichten, zunehmen“, erläutert Demografie-Forscherin Magali Barbieri von der US-amerikanischen University of California.

Diabetes Typ 2 ist durch unseren Lebensstil verursacht

Als Beispiele nennt sie Fettleibigkeit und Diabetes. Deren Quoten steigen unaufhaltsam, und sie sorgen für diverse weitere schwere Erkrankungen, wie etwa Infarkte und Schlaganfälle sowie Nerven- und Nierenschäden.

Hierzulande erkranken mehr als eine halbe Million Erwachsene jährlich neu an Diabetes Typ 2, und der wird in erster Linie vom modernen Lebensstil verursacht. „In früheren Zeiten bewegten wir uns viel, und dem daraus entstehenden Kalorienbedarf stand nur ein knappes und unzuverlässiges Nahrungsangebot gegenüber“, erläutert Baptist Gallwitz von der Deutschen Diabetes Gesellschaft und ergänzt: „Das haben wir jedoch komplett gedreht.“

Dem Bewegungsmangel stünde nun ein hochkalorienreiches Nahrungsangebot gegenüber, mit der Folge, dass die Zellen unempfindlich für Insulin werden, durch das sie Zucker aufnehmen könnten. „Außerdem kommt es zu Übergewicht, das die letzten Insulinreserven aus der ohnehin schon strapazierten Bauchspeicheldrüse herausholt und die Wirkung des Stoffwechselhormons weiter einschränkt“, so der Diabetologe. Lebensstiländerungen sind daher der Königsweg in der Prävention von Diabetes. „Gerade mit Sport kann man schon sehr viel erreichen“, betont Gallwitz.

Wichtig sei dabei weniger die Sportart als vielmehr die Häufigkeit. „Ideal wäre, sich jeden Tag in der Woche so zu bewegen, dass man leicht ins Schwitzen kommt“, so Gallwitz. Als weiteren Gamechanger im Kampf gegen Diabetes gilt mittlerweile der Verzicht auf Soft-Drinks. Denn die gezuckerten Limonaden liefern viele Kalorien, die zudem schnell ins Blut gehen und kaum zur Sättigung beitragen. Dadurch prescht der Blutzuckerspiegel nach oben. Ein Forscherteam der Tufts University in Boston hat ausgerechnet, dass Soft-Drinks weltweit für mehr als 2,2 Millionen neue Diabetesfälle und 1,2 Millionen neue Herzerkrankungen pro Jahr verantwortlich sind. Dass hierzulande immer noch viele Menschen an chronischen Erkrankungen sterben, liegt aber auch an der steigenden Rate der Demenzpatienten. Sie wird sich laut Schätzungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft bis zum Jahr 2050 auf bis zu 2,7 Millionen Menschen erhöht haben. Der Hauptgrund ist dabei, dass die Menschen immer älter werden – und das geht zu Lasten ihrer Hirnfunktionen. Dennoch gibt es Möglichkeiten der Prävention.

Aufgrund der höheren Lebenserwartung steigen auch die Demenzzahlen

Hierzu zählen wiederum Sport und gesunde Ernährung, aber auch das rechtzeitige Vorgehen gegen den altersbedingten Hörverlust. Denn wer schlecht hört, sorgt für weniger Input in seinem Gehirn, und das fördert die Demenz. Ein Forscherteam von der Shandong Universität in Jinian in China beobachtete in einer Studie an 430 000 Menschen zwischen 40 und 69 Jahren, dass schwerhörige Menschen ohne Hörgerät ein um 42 Prozent höheres Demenzrisiko hatten. Trugen sie hingegen eine elektronische Hörhilfe, war ihr Risiko nicht höher als bei jemandem, der ein gutes Hörvermögen hatte.

Weitere Themen