Das Dorf Krumbach im Bregenzerwald hat die wohl schönsten Haltestellen der Welt. Renommierte Architekten haben sich dort mit ungewöhnlichen Busstationen verwirklicht.

Ein Auto stoppt, die Seitenscheibe gleitet herunter, der Fahrer fragt: „Wissen Sie, wo es zu Fujimoto geht?“ Kein Problem, das weiß hier jedes Kind. Nächste Abzweigung links, dann zwei Kurven den Hang hinauf. Schon ist man fast in Tokio. So kosmopolitisch ging es hier nicht immer zu. Einst war die Wälderbahn der Anschluss an die Welt. Eine Schmalspurbahn, die die knapp zwei Dutzend Wälderdörfer mit Bregenz am Bodensee verband, dem Tor zum Bregenzerwald. Aber um 1980 wurde die Wälderbahn eingestellt. Nur im Sommer fährt sie noch auf einem kleinen Stück als Museumsbahn. Das ebenso zuverlässige wie kostengünstige Nahverkehrsmittel des Bregenzerwaldes ist heute der Landbus. Die Landbusse stoppen normalerweise an hübschen Haltestellen, deren Gestaltung an die alten Waggons der Wälderbahn erinnern soll. Nur den Einwohnern des 1000-Seelen- Dorfes Krumbach waren diese soliden und praktischen „Wartehüsle“ auf Dauer nicht gut genug. Es muss noch besser gehen, dachten sie wohl.

 

Ein Wallfahrtsort für Architekturliebhaber

Nun muss man wissen, dass der Bregenzerwald mit seinen rund 30 000 Einwohnern und ebenso vielen Kühen nicht nur für seinen guten Käse berühmt ist, sondern auch für die Kunstfertigkeit seiner Handwerker. Seit dem Barockzeitalter zogen sie überall in Europa als begehrte Spezialisten herum. Wenn man im Bregenzerwald etwas baut, macht man es schön bis ins letzte Detail. 2011 wurde in Krumbach, dem wichtigsten Umsteige- Knotenpunkt des Vorderen Bregenzerwalds, die zentrale Bushaltestelle von den lokalen Architekten Bader, Bechter und Kaufmann umgestaltet. So gut gelang das Ensemble aus regionalen Hölzern, dass man gleich weitermachen wollte. Man wandte sich an Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrums Wien, und dieser verbreitete die Kunde in die ganze Welt: Die Krumbacher Vorderwälder warten auf den ganz großen Wurf in Sachen Wartehüsle. Der Lohn war eher bescheiden: eine Woche Urlaub für zwei Personen im Bregenzerwald. Das hielt Künstler und Architekten in aller Welt nicht davon ab, ihre Entwürfe einzureichen. Drei Jahre später war „Bus:Stop“ mit seinen sieben internationalen Entwürfen für weitere Haltestellen umgesetzt. Die Ausführung der Arbeiten jedoch erfolgte allein durch örtliche Handwerker. Mehr als 200 Personen wirkten daran mit. Ohne Streit, ohne Skandale, ohne Kostenexplosion. Seither ist Krumbach ein Wallfahrtsort für Architekturliebhaber. Denn jede der Haltestellen ist ein Unikat.

Smiljan Radic aus Chile baute einen Glaskasten mit aufgesetztem Vogelhaus und drei einander zugewandten Sitzen, die die Wartenden ins Gespräch bringen sollen. Antón Garcia-Abril und Débora Mesa vom spanischen Ensamble Studio schichteten rohe Bretter zu einem hölzernen Kokon auf. Die Kollegen aus Belgien fügten massive Stahlplatten zu einer Art Origami-Faltung, die die Alpen symbolisieren soll. Die Pritzker-Preisträger Wang Shu und Lu Wenyu aus China machten sich ebenfalls ans Werk. Ihr Entwurf aus hellen Holzbalken bildet eine Art Camera obscura mit gerahmtem Blick in die hügelige Moorlandschaft. Eine Haltestelle weiter schufen drei norwegische Architekten eine zweigeschossige Schutzhütte, deren obere Etage zugleich als Tribüne für den Tennisplatz dahinter dient. Der Russe Alexander Brodsky errichtete eine Art Wachturm. Die nicht begehbare obere Etage mit ihren unverglasten Fensteröffnungen lässt dem Wind und den Vögeln den Weg frei. Unten dagegen warten Tisch und Bank auf Verkehrsteilnehmer, die noch etwas zu erledigen haben - vielleicht Hausaufgaben machen. Der extremste Entwurf aber stammt vom Japaner Sou Fujimoto. Von Wetterschutz kann hierbei keine Rede sein. Aber im niederschlagsreichen Bregenzerwald gehe man sowieso nicht ohne Regenschirm aus dem Haus, heißt es bei den Einheimischen. Ein Wald von grellweißen Stahlstangen umfängt eine kurvig gewundene, filigrane Holztreppe. Von oben wäre der Blick in die Landschaft reizvoll. Aber gleich über der ersten Stufe mahnt ein Schild: „Dies ist ein Kunstwerk. Betreten verboten“. Schade eigentlich. Aber da kommt schon der Bus vorgefahren und das Leben rollt weiter.