Der Zusammenbruch der Sowjetunion in den 90er-Jahren führte zu einer Ausbreitung osteuropäischer Banden nach Deutschland. Vom aktuellen Ukraine-Krieg erwartet das Berliner LKA ähnliche Auswirkungen.

Der Ukraine-Krieg führt nach Einschätzung der Polizei zu verstärkter Kriminalität russischer und ukrainischer Banden auch in Deutschland und Berlin. Zu erwarten sei weiterhin „ein zunehmender Strom entsprechender krimineller Akteure in den EU-Raum“, schreibt das Berliner Landeskriminalamt (LKA) in seinem Lagebild zur organisierten Kriminalität (OK) 2022, das am Montag veröffentlicht wurde. Das führe zu „einem Ansteigen einschlägiger Kriminalität“. Und weiter: „Bereits etablierte kriminelle Netzwerke werden ihre Bedeutung beibehalten und werden ihr kriminelles Portfolio erweitern.“ Schwerpunkte seien Gewalt- und Rauschgiftkriminalität sowie Schleusungskriminalität.

 

Stehe ein Wiederaufbau der Ukraine an, würden „die sich daraus ergebenden legalen und kriminellen Verdienstmöglichkeiten eine hohe Anziehungskraft auf gleichermaßen russische wie ukrainische OK-Strukturen ausüben, was das Konfliktpotenzial vielerorts merklich erhöhen wird“. Das gelte gerade für Berlin als zentrale Drehscheibe der von der Polizei sogenannten Russisch-Eurasischen Organisierten Kriminalität (REOK) in Deutschland. 

Die durch den Angriff Russlands und den Krieg ausgelöste Situation erscheine mit Blick auf die Kriminalität der russischen Banden „vergleichbar mit der Zeit in den 1990er-Jahren beim Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion“. In Europa habe der Krieg „die Zusammenarbeit zwischen den kriminellen Netzwerken weder unterbrochen noch zum Erliegen gebracht“. Die Einstellung der russischen, ukrainischen und tschetschenischen Kriminellen zum Krieg sei unterschiedlich, letztlich gehe es ihnen aber um Gewinn aus ihrem Geschäft mit Verbrechen, dem werde Politik untergeordnet.

In ganz Deutschland gab es 639 Ermittlungsverfahren

Das Lagebild nennt für 2022 69 große Ermittlungskomplexe und 501 ermittelte Verdächtige zu organisierter Kriminalität in Berlin. Die Hauptstadt liegt damit auf dem vierten Platz in Deutschland hinter den großen Flächenländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern. In ganz Deutschland gab es 639 Ermittlungsverfahren. In fast der Hälfte der Ermittlungen ging es in Berlin um Drogenhandel, es folgten Eigentumskriminalität wie Autodiebstahl und Einbrüche. 

Als Phänomene nannte das LKA vor allem „Clankriminalität insbesondere durch arabischstämmige Tatverdächtige“, Russisch-Eurasische OK mit dem Schwerpunkt von Verdächtigen aus Tschetschenien, international organisierter Autodiebstahl durch Banden aus Osteuropa, Rocker-Kriminalität, Menschenhandel („Moderne Sklaverei“) mit dem Schwerpunkt von Tätern aus Südosteuropa, Schleusungskriminalität vor allem aus Vietnam, Rauschgiftschmuggel durch international zusammengesetzte Banden sowie Raub- und Einbruchskriminalität.  red/