Wenig Einkommen, kaum Geld für Alltagsdinge: Immer mehr Ältere in Deutschland sind materiell abgehängt. Sozialverbände fordern kräftiges Gegensteuern.

Berlin - Immer mehr älteren Menschen in Deutschland drohen Armut oder soziale Ausgrenzung. Waren 2010 noch 4,9 Millionen Menschen im Alter von 55 und älter betroffen, stieg deren Zahl seither kontinuierlich auf zuletzt 5,7 Millionen. Dies geht aus aktuellen Daten des Europäischen Statistikamts Eurostat hervor, auf die die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (Linke) aufmerksam machte.

 

Damit waren 2015 20,8 Prozent aller Menschen im Alter von 55 und älter von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. 2006 waren es noch 18,2 Prozent. EU-weit liegt der Anteil mit 20,7 Prozent leicht unter dem in Deutschland. Daten für 2016 liegen noch nicht vor.

Betroffen ist etwa, wer mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent des Durchschnitts auskommen muss, also mit 1033 Euro netto im Monat oder weniger. Der Wert berücksichtigt alle Einkünfte, wobei die Statistiker bestimmte Gewichtungen vornehmen, es handelt sich um das sogenannte gewichtete Äquivalenzeinkommen.

Jeder Fünfte von Armut oder Ausgrenzung bedroht

Von Ausgrenzung bedroht ist laut dieser Statistik darüberhinaus auch, wer oft nicht rechtzeitig Miete, Wasser, Strom oder Heizung zahlen oder unerwartete Ausgaben oft nicht decken kann. Zudem fällt darunter, wer in Haushalten lebt, in denen die Bewohner im arbeitsfähigen Alter kaum erwerbstätig sind. „Kaum“ bedeutet in der Statistik, dass diese binnen eines Jahres 20 Prozent oder weniger ihrer möglichen vollen Arbeitszeit gearbeitet haben.

Insgesamt ist nach dieser Definition laut Eurostat jeder Fünfte in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dieser Wert schwankte seit 2010 zwischen 19,6 und 20,6 Prozent.

Die Linken-Vizefraktionschefin Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur: „In der zunehmenden Armut Älterer spiegelt sich die gesamte Problemlage im Bereich Arbeit und Soziales: Hoher Anteil von Niedriglöhnen am deutschen Arbeitsmarkt, hohe Erwerbslosigkeit von Älteren und immer öfter Armutsrenten.“ Ältere Erwerbslose dürften nicht länger abgeschrieben, sondern müssten besser unterstützt werden.

Der Sozialverband VdK Deutschland forderte eine Rentenreform, damit die gesetzliche Rente Altersarmut verhindert. „Das Problem darf nicht mehr wegdiskutiert werden“, sagte Präsidentin Ulrike Mascher. Der Präsident des Sozialverbands SoVD, Adolf Bauer, sagte, Langzeitarbeitslose sowie Menschen mit Behinderungen trügen ein besonders hohes Risiko, in Alter auf Grundsicherung angewiesen zu sein. Die Gefahr im Alter zu verarmen, sei auch für Solo-Selbstständige hoch.