Es ist ein wichtiges Zeichen, dass Deutschland den Zuschlag für die Fußball-EM bekommen hat und nicht die Türkei. Ein Kommentar von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Nyon - Vor Gericht, auf hoher See und bei der Vergabe von Sport-Großveranstaltungen gilt: hier kann man sich seiner Sache nicht sicher sein. Deutschland ging als Favorit in die Wahl des Gastgebers der Fußball-Europameisterschaft 2024, doch es gab große Restzweifel daran, ob man auch wirklich den Zuschlag im Duell gegen die Türkei erhält. Doch bei dieser Vergabe scheinen die Mitglieder des Exekutivkomitees des europäischen Verbands Uefa größtenteils den vorab veröffentlichten Evaluierungsbericht studiert zu haben. Gleichzeitig sind sie ihrem Ruf gerecht geworden, höhere ethische Erwartungen an ein Gastgeberland zu haben als die Kollegen vom Weltverband Fifa. Am Ende haben die besser bewertete deutsche Bewerbung und die Sorge um die Menschrechtssituation in der Türkei mit 12:4 Stimmen die Oberhand behalten.

 

80 Prozent stehen hinter der Bewerbung

Nun darf sich Deutschland auf das nächste Fußball-Großereignis freuen. Und man kann nur hoffen, dass es diesmal eine ungetrübte Freude bleibt. Nicht wie bei der Weltmeisterschaft 2006 mit den durch Manipulationsverdacht und Steuerhinterziehung ausgelösten starken Nachbeben, das sowohl den DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach aus dem Amt katapultiert als auch dem Ansehen des damaligen Organisationschefs Franz Beckenbauer schweren Schaden zugefügt hat.

Umfragen haben ergeben, dass rund 80 Prozent der Deutschen hinter der Bewerbung stehen. Was für ein Unterschied zu den bescheidenen Zustimmungswerten für eine deutsche Olympia-Bewerbung! Doch er ist damit zu erklären, dass ein Fußballturnier keine großen Eingriffe in die Natur zur Folge hat. Deutschland, Fußballland.

Entgegenkommen der Türkei vergebens

Die Uefa hat sich gleichzeitig für die solider wirkende Variante entschieden, für die politisch wie wirtschaftlich stabilere. Da half es am Ende auch nichts, dass die Türkei ihre deutlichen Defizite bei den Menschenrechten mit einem finanziellen Lockangebot auszugleichen versuchte. Nachdem die Uefa durch ihren slowenischen Präsidenten Aleksander Ceferin unverhohlen die Forderung aufgestellt hatte, mit dem Turnier in sechs Jahren möglichst viel Geld verdienen zu wollen, kündigte die türkische Regierung an, keine Steuern auf die Gewinne zu erheben. Dennoch ist die Türkei auch mit ihrer vierten EM-Bewerbung gescheitert. Es wäre sicher eine große Genugtuung für den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gewesen, wenn ihm beim aktuellen Staatsbesuch in Deutschland Angela Merkel zu diesem Erfolg hätte gratulieren müssen.

Grindel kann aufatmen

Aber auch innenpolitisch hätte Erdogan in Zeiten der wirtschaftlichen Krise den Mut machenden Zuschlag für sein Land gut gebrauchen können. Doch die türkische Hoffnung, den Präsidenten als Triumphator präsentieren zu können und den Fußball als Beruhigungspille einzusetzen, wurde bei der Wahl im Uefa-Hauptquartier am Genfer See enttäuscht.

Ein anderer Präsident kann dagegen erst einmal aufatmen. Bei einer Niederlage wäre der umstrittene DFB-Präsident Reinhard Grindel eine zu große Belastung für den Verband gewesen und ein Rücktritt des ehemaligen CDU-Politikers unausweichlich geworden. Nach dem völlig missratenen Krisenmanagement im Fall Mesut Özil und der Kritik an offenbar selbstgefälligen Auftritten bei der Uefa wäre eine Wahlniederlage eindeutig als internationales Misstrauensvotum gegenüber der DFB-Spitze zu werten gewesen.

Doch selbst mit der erfolgreichen EM-Bewerbung im Rücken wird es für Reinhard Grindel in den nächsten Monaten schwer genug. So fiel seine Freude über den Sieg auch nicht nicht überschwänglich aus, es war vor allem Erleichterung, die ihm anzusehen war. Dass er, der die EM nach Deutschland geholt hat, beim DFB-Bundestag im nächsten Jahr wiedergewählt wird, ist nun wahrscheinlicher geworden.