Bei Sterneköchen wie Christian Jürgens kann man nicht nur speisen, sondern auch viel lernen. 

Leben: Susanne Hamann (sur)

Rottach-Egern - Die Aufgabe hört sich leicht an: Schnittlauch schneiden. Kein Problem, denken sich die Kochschüler. Doch unser Meister ist kritisch: „Sie schneiden nicht, Sie quetschen“, sagt Christian Jürgens (43) und nimmt mir das Messer aus der Hand. „Schauen Sie, so geht das.“ Der Sternekoch drückt die kleinen grünen Hälmchen beim Schneiden nicht platt, er durchtrennt sie fein säuberlich mit leicht schwingenden Bewegungen der Klinge. Heraus kommen dabei feine Ringe, keine verbeulten Ovale. Schuldbewusst schnipple ich weiter und luge zwischendurch auf die umliegenden Brettchen. Die anderen stellen sich auch nicht viel besser an. Zum Glück. Die Schnittlauchröllchen werden später gebraucht.

 

Zuerst bereitet die Kochklasse eine Vorspeise namens „Gemüsebeet“ zu. Christian Jürgens, Küchenchef des Gourmetrestaurants Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee, liebt solch verklausulierte Bezeichnungen. Das Gemüsebeet entpuppt sich als Kressecreme, bestreut mit einem braunen Pulver. Sieht aus wie staubige Erde, doch das Pulver sind getrocknete und fein zerriebene Champignons. Die essbare Krume füllt Jürgens in Blumentöpfe aus Ton und pflanzt darin Minikarotten, Radieschen und Selleriestangen samt Grün. Ein Kunstwerk, und doch ganz leicht nachzumachen. Die Schüler dippen, genießen und sind begeistert. Probieren und studieren - das macht Spaß. Das Gemüsebeet symbolisiert Jürgens’ Art zu kochen. Der in Unna geborene Westfale geht mit viel Fantasie, Witz und einem Schuss Ironie ans Werk. In seiner mit zwei Michelin-Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten ausgezeichneten Küche gibt es essbare Murmeln, köstliche Kiesel, als Radieschen verkleidete Erdbeeren. Nichts ist, wie es scheint. Gekonnt balanciert der Chef de Cuisine zwischen Rustikalem und Raffinesse. Die oberbayerische Umgebung des Hotels Überfahrt, in dem er seit 2008 wirkt, hat er zum Leitmotiv auserkoren. Oft gibt es einen Bezug zur Umgebung, etwa beim Sashimi: heimischer Saibling wird statt auf einem Teller auf einem gekühlten Stein angerichtet. Das sieht nicht nur ungewöhnlich und gut aus, das ist auch praktisch: „Der Stein speichert die Temperatur besser“, erklärt Christian Jürgens. „Eine großartige Idee“, findet Kochschülerin Hillrike Flessner-Sälzle (60) aus Pullach.

Die Schüler schätzen diesen persönlichen Kontakt, fast alle sind Wiederholungstäter

Notabene: Demnächst an einem Bach spazieren gehen und geeignete Kiesel sammeln. Man sollte nur ein gerade geformtes Exemplar erwischen, sonst rutscht der Fisch vom Stein. Tricks wie diese erhoffen sich Hobbyköche, wenn sie einen Kurs beim Sternekoch besuchen. Einen Tag bei einem Profi in die Lehre zu gehen ist nicht ganz billig - eine prima Gabe für kulinarisch Interessierte, die schon alles haben. Wolfgang Schorr (60) aus Kornwestheim etwa bekam den Kurs von seiner Frau Karin geschenkt. „Mir gefällt, dass man viele Ratschläge bekommt“, sagt der Schwabe. Endlich huscht ein Halbgott in Kochjacke nicht nur kurz grüßend nach dem Diner von Tisch zu Tisch, sondern nimmt sich Zeit. Die Schüler schätzen diesen persönlichen Kontakt, fast alle sind Wiederholungstäter. Untereinander wird fleißig gefachsimpelt - von Kochpartys bei Jean-Marie Dumaine in Sinzig, Eventcooking mit Holger Stromberg in München oder Schnupperkursen in asiatischen Garküchen. In der Genusswerkstatt kann jeder einen Samstag lang mitmachen. Voraussetzungen gibt es nicht. „Semiprofessionelle Hobbyköche, die mit eigenen Santokumessern im Gepäck anreisten, haben hier ebenso schon am Herd gestanden wie blutige Laien“, erzählt Christian Jürgens. Einige besonders eifrige Zeitgenossen drehten den Spieß auch schon um und versuchten, dem Profi Tipps zu geben. „Das passiert im Eifer des Gefechts“, zeigt sich Jürgens verständnisvoll. Er kennt die Situation: Als Hobbyrennfahrer war er auch schon nahe dran, dem Fahrlehrer die Ideallinie auf der Rennstrecke zu erklären.

Wer mag, kann sich engagieren und richtig helfen. Wer nicht mag, hält sich im Hintergrund oder stellt allgemeine Fragen. Induktion oder Gasherd? Jürgens schwört auf Induktion. Welches Salz soll man verwenden? Immer hochwertiges Meersalz, auch fürs gewöhnliche Nudelwasser. Wie bleibt ein Messer lange scharf? Regelmäßig mit dem Wetzstahl bearbeiten und immer von Hand, keinesfalls in der Spülmaschine reinigen. „Kochen ist bei allen Ambitionen ein Handwerk“, doziert Christian Jürgens. Daher hat er seine Kochschule auch „Genusswerkstatt“ genannt. Die Kurse finden nicht in der Restaurantküche, sondern in einem kleinen, gläsernen Pavillon direkt gegenüber statt. Alle im Raum verwendeten Materialien sind Reminiszenzen an die Umgebung, Folklore trifft Funktionalität. Das Holz, hinter dem sich die teuren Einbaugeräte verstecken, stammt aus alten Bauernhäusern der Region. Der Jurastein, aus dem die Arbeitsplatten geschnitten wurden, ist ein waschechter Bayer aus der Hollerdau. Alte Futtertröge feiern, mit Designarmaturen aufgemotzt, ihr Comeback als Waschbecken. Das gemeinsame Mittagessen nach der Kochlektion nehmen wir an einem großen Esstisch ein, Jürgens’ ganzer Stolz. Mitten hineingemeißelt ist eine Rinne, die den Lauf der nahe gelegenen Weissach symbolisiert und mit Steinchen und Gräsern geschmückt ist. Auf den Tisch kommt unter anderem frittiertes Gemüse in Tempura-Teig mit Kräuterquark. Leider mit gequetschten Schnittlauchröllchen.

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Kurse beim Sternekoch

Rottach-Egern
Im Hotel Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee bietet Christian Jürgens (zwei Michelin-Sterne) Kochkurse in seiner „Genusswerkstatt“ an. An zwei Samstagen im Monat wird gekocht: jeweils von 10 bis 13 Uhr mit anschließendem gemeinsamen Mittagessen. Preis pro Person: 245 Euro. Der Kochkurs ist auch in Verbindung mit einem Kurzurlaub buchbar.

Weitere Informationen unter Telefon 0 80 22 / 66 90 oder im Internet unter www.seehotel-ueberfahrt.com/de/kulinarik/kochschule-genusswerkstatt.html .

München
In München gibt das Team von Alfons Schuhbeck in Kochkursen das Wissen und Können des Meisters an die Kursteilnehmer weiter. Das heißt, der mit einem Stern dekorierte Koch des Restaurants Südtiroler Stuben kocht nicht unbedingt selbst mit. Diverse Termine an verschiedenen Wochentagen sind buchbar. Die Kurse finden entweder von 10 bis 17 Uhr oder von 19 bis 22 Uhr statt. Preis je nach Thema und Option (Schnuppern, Mitkochen, Zuschauen): 120 bis 433 Euro pro Person.

Informationen unter Telefon 089 / 21 66 90 - 110, www.schuhbeck.de/kochschule/kochkurse.html .

Dresden
In Dresden bietet Dirk Schröer, Küchenchef des mit einem Stern ausgezeichneten Restaurants Caroussel im Hotel Bülow Residenz, einmal im Monat themenbezogene Kochkurse (9.30-17 Uhr, 225 Euro). Zusätzlich kann man als „Topfgucker“ erleben, wie es hinter den Kulissen eines Feinschmeckertempels zugeht. Maximal zwei Personen dürfen mitkochen und naschen (17.30-22 Uhr, 115 Euro pro Person).

Anmeldung bei Kochkurs-Koordinatorin Christin Bauer, Telefon 03 51 / 8 00 30, www.buelow-palais.de/events-im-haus/ .

Guldental
In Guldental bei Bad Kreuznach kann man gemeinsam mit Johann Lafer am Herd stehen. In der Lehrstunde, die von 9 bis 16 Uhr dauert und in der eigens gegründeten Kochschule „Le Table d’Or“ stattfindet, verrät der mit einem Stern dekorierte Fernsehkoch seine Tipps und Tricks. Kostenpunkt: 420 Euro pro Person.

Termininfo unter Telefon 0 67 24 / 93 10 - 0, www.johannlafer.de/kochen/tabledor/index.php .

Bergisch Gladbach
In Bergisch Gladbach macht die feine Küche von Nils Henkel Schule. Der Chef des Gourmetrestaurants im Schlosshotel Lerbach bietet Tageskochkurse an. Zweimal im Monat wird mittwochs (10-13 Uhr) drei Stunden lang unter Anleitung des mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Maître gekocht. Im Preis von 320 Euro pro Person sind Getränke, ein anschließendes Mittagessen sowie ein Weingespräch mit dem Sommelier des Hauses enthalten.

Telefon 0 22 02 / 20 40, www.schlosshotel-lerbach.com/de/kulinarik/kochschule/kochkurse-mit-nils-henkel.html . Das Hotel bietet den Kursteilnehmern und ihrer Begleitperson spezielle Übernachtungsarrangements.

Westerland
In Westerland können Sylt-Urlauber einen Tageskochkurs bei Jörg Müller absolvieren. Nach Absprache wird einmal im Monat samstags von 10 bis 16 Uhr ein Fünf-Gänge-Menü gekocht. Preis: 240 Euro pro Person.

Informationen unter Telefon 0 46 51 / 2 77 88, www.hotel-joerg-mueller.de/kochschule/index.html .