Am Sonntag endet in Stuttgart die Neuauflage der Deutschland-Tour. Das Teilnehmerfeld ist hochklassig. Dass Stars wie Tour-Sieger Geraint Thomas bei einem Radrennen der unterklassigen Kategorie mitfahren, hat gute Gründe.

Stuttgart - Die Präsentation der 132 Radprofis der Deutschland-Tour hatte ein wenig was von Tour-de-France- Feeling. Mit Gondeln schwebten die Radler von der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein hinunter zum Deutschen Eck, wo sie dann den Fans auf einer Bühne vorgestellt wurden. Das war großes Kino, erfunden von den Machern der Tour in Frankreich, die ja auch als Veranstalter der wiedergeborenen Deutschland-Tour auftreten. Und mit dem stimmungsvollen Entree auch gleich klarmachen wollen, dass die erste Rundfahrt in Deutschland nach zehn Jahren Pause nur der Auftakt und ein Testlauf für eine größere Zukunft sein soll. Deshalb hat sich die Amaury Sport Organisation (A. S. O.) ja auch schon mal auf mindestens zehn Jahre festgelegt – allerdings mit Ausstiegsklausel.

 

Aktuell hat das Rennen, das am Donnerstag mit der Etappe von Koblenz nach Bonn startet, im Rennkalender des Weltverbandes UCI den Status 2:1. Das heißt zweite Liga und terminlich nicht geschützt. Sichtbar wird das, wenn am Samstag in Málaga die Spanien-Rundfahrt startet. Deshalb ist es schon sehr erstaunlich, dass bei der kleinen Deutschland-Tour gleich drei absolute Top-Profis am Start sind. Allen voran Geraint Thomas, Mister G., der Sieger der Tour de France und der neue Superstar des Weltradsports. Thomas startet als Kapitän des britischen Teams Sky und hat in Christian Knees seinen Edelhelfer der Tour an der Seite. In der Konstellation kann der 32-jährige Waliser nur den Gesamtsieg nach vier Ertappen am Sonntag in Stuttgart anstreben, ein Mann wie er kann hier nicht spazieren fahren.

Aber warum Deutschland-Tour?

Aber warum Deutschland-Tour? Klar war, dass Thomas ein paar Wochen nach der Tour nicht zur Vuelta fahren würde. Sein Start in Deutschland dürfte für ihn der beste Einstieg in den zweiten Teil der Saison mit dem Höhepunkt WM Ende September in Innsbruck sein. Die vier Etappen im Südwesten Deutschlands sind vom Profil her durchaus vier harte Eintagesrennen nacheinander. „Ich fahre wirklich gerne Rennen in Deutschland“, sagt Thomas, „es ist ein wunderschönes Land, und es macht Spaß. hier zu sein.“ Für die anderen Profis bedeutet das aber weniger Spaß. Wenn der Mann aus Cardiff seine Form von der Tour konservieren kann, ist er kaum zu schlagen.

Und wenn überhaupt, dann am ehesten von Tom Dumoulin. Der Niederländer war im Mai hinter Chris Froome Zweiter beim Giro und im Juli hinter Thomas auch Zweiter bei der Grande Boucle in Frankreich. Das nervt natürlich. Trotzdem wäre Dumoulin wohl nicht am Start, wenn sein Team Sunweb nicht unter deutscher Flagge fahren würde. Die Mannschaft, geführt von holländischen Managern, versucht sich seit Langem ein deutsches Image zu geben, kommt damit aber nicht so recht weiter. Dumoulin, der wohl beste Allrounder der Welt, sagt: „Für uns als deutsches Team ist es ein sehr wichtiges Rennen.“

Das klingt auf Englisch ein wenig merkwürdig, aber der 27-jährige aus Maastricht hat in Max Walscheid und Lennard Kämna immerhin viel deutsche Unterstützung in seinem sechsköpfigen Team. Und sie könnten tatsächlich einen Akzent setzen, denn das als heimisch etablierte Team Bora- Hansgrohe hat seinen besten Rundfahrer nicht dabei: Emanuel Buchmann startet als Kapitän der Oberbayern von Samstag an bei der Spanien-Rundfahrt.

Überraschend hat sich auch Romain Bardet für die Deutschland-Tour entschieden

Überraschend hat sich auch Romain Bardet für die Deutschland-Tour entschieden. Der Kapitän des französischen Teams AG2R ist seit drei Jahren die große Hoffnung der Franzosen, nach 1985 endlich mal wieder einen heimischen Sieger bei der Tour de France bejubeln zu dürfen. Der spindeldürre 27-jährige Bergspezialist ließ 2016 mit Platz zwei bei der Tour aufhorchen, landete auch 2017 als Dritter auf dem Podium, konnte das aktuell als Sechster aber nicht ganz bestätigen. Für den Mann von der Loire wäre ein Sieg bei der Deutschland-Tour denn auch ein großer Erfolg. Bisher firmiert er immer noch als Talent, konnte an Etappenrennen nur 2013 die Tour de l’Ain gewinnen. Dagegen ist die Deutschland-Tour ein großes Rennen.

Zudem laufen die meisten Etappen nicht weit von der französischen Grenze – vor allem am Samstag auf dem Weg von Trier nach Merzig dürfte er reichlich Unterstützung an der Strecke haben.