Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will Flüchtlinge schon vor der Einreise nach Deutschland kontrollieren – und notfalls in Gefängnissen einsperren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat in der Regierung nichts mehr zu sagen. Die Stimme der ehemaligen liberalen Justizministerin findet dennoch Gehör. Sie warnt vor einem „Roll back“ in der Asylpolitik. Damit ist ein umfangreicher Katalog von Gesetzeskorrekturen gemeint, mit denen Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Zustrom nach Deutschland erschweren möchte. Er plant harte Auflagen und Einschnitte für abgelehnte Asylbewerber, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet wären, aber Deutschland nicht freiwillig verlassen. Zudem will der CDU-Mann schon vor der Einreise kontrollieren, ob überhaupt ein Asylgrund vorliegt – und in Zweifelsfällen die Betroffenen inhaftieren lassen.

 

Der Minister beruft sich dabei auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2013, welche die Möglichkeit eröffnet, das umstrittene Flughafenverfahren auch auf die Einreise auf dem Landweg zu übertragen. Bei diesem Verfahren werden Asylbewerber, die mit dem Flugzeug aus einem sicheren Herkunftsland einreisen oder bei der Ankunft keine beziehungsweise gefälschte Papiere mitführen, noch auf dem Airportgelände abgefertigt. Für das Asylverfahren gelten dann sehr verkürzte Fristen.

Die Pläne stoßen in der Koalition auf Zweifel

So soll die Bundespolizei künftig auch bei Kontrollen an Landgrenzen vorgehen, sofern kein Asylgrund vorliegt. Das wäre zum Beispiel im Falle der Einreise aus jedem EU-Land so. Denn das europäische Asylrecht schreibt vor, dass Asylanträge in dem Staat gestellt werden müssen, in dem Flüchtlinge erstmals EU-Territorium erreichen. Auf dem Landweg kann das nicht Deutschland sein.

Um diese Fälle aus dem Strom der Flüchtlinge auszusortieren, sei „die Prüfung vor einer Einreise nur möglich, wenn noch keine faktische Einreise erfolgt ist“, heißt es im Entwurf des Innenministeriums. Dieses Verfahren lasse sich „nur im Fall einer freiheitsentziehenden Maßnahme umsetzen“. Dazu will Minister de Maizière das Asylverfahrensgesetz um einen Paragrafen 18b erweitern. „Die Zuständigkeit für die Anhörung des Ausländers zur Prüfung der Zulässigkeit in Asylverfahren kann der Grenzbehörde übertragen werden“, lautet der Formulierungsvorschlag. „Die Grenzbehörde ist für die Beantragung von Haft zur Sicherung der Maßnahmen zuständig.“ Die Haft müsste ein Richter genehmigen. Als Grund soll ausreichen, dass die Identität überprüft oder Beweise, die den Asylantrag stützen könnten, gesichert werden sollen. Bisher musste diese Prüfung in der Erstaufnahmeeinrichtung erfolgen.

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer betont gegenüber der Stuttgarter Zeitung, er „befürworte den Vorschlag nachdrücklich, um Personen schnell zurück schieben zu können, die kein Anrecht auf Asyl haben“. Man müsse dazu aber möglicherweise neue Einrichtungen schaffen – Gefängnisse in Grenznähe. Der Bund müsse dabei den betroffenen Ländern unter die Arme greifen, vor allem Bayern. Die Pläne für eine solche Asylhaft stoßen jedoch auch in Koalitionskreisen auf Zweifel. Die Fragen, die sich dazu stellten, seien „nicht ganz trivial“, sagt ein Sicherheitsexperte.

Taschengeld statt Sachleistungen

Umstritten sind auch weitere Maßnahmen, die der Innenminister in seinem umfänglichen Katalog vorgesehen hat: etwa der Plan, allen Flüchtlingen, die keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland haben, weil sie über ein anderes EU-Land eingereist sind, die Sozialhilfe zu verweigern. Sie sollen lediglich eine Fahrkarte für die Rückfahrt und den nötigen Proviant erhalten. Zudem will de Maizière Asylbewerber so lange in Aufnahmeeinrichtungen halten, bis über ihren Antrag entschieden ist. Dort sollen sie kein Taschengeld mehr, sondern Hilfe „so weit wie möglich in Form von Sachleistungen, Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen“ erhalten. Gegen diese strikte Vorschrift wendet sich die SPD-Sozialministerin Andrea Nahles. Sie schlägt eine alternative Formulierung vor, in der eine Hintertür für Geldleistungen offen bleibt.

Das stößt in der Union auf heftigen Widerstand. „Ich hoffe, dass wenig davon verwässert wird“, sagt Fraktionsvize Thomas Strobl. Für ihn ist der Vorrang für Sachleistungen „ein Punkt, der nicht verhandelbar ist“. Er hält den Wegfall des Taschengelds für „ein ganz wichtiges Signal in den Balkan hinein“. Es sei „ein historischer Fehler“ gewesen, vor einem Jahr die Sachleistungen auf Bargeld umzustellen. Das hatte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Preis für den von ihm mitgetragenen Asylkompromiss verlangt. Strobl warnt davor, diesen Fehler zweimal zu begehen. Das 128 Seiten umfassende Gesetzespaket soll beim Flüchtlingsgipfel am Donnerstag auch mit den Bundesländern abgestimmt werden.