Der Traum vom Titel ist geplatzt: Das Nationalteam unterliegt bei der Fußball-EM dem Gegner Italien im Halbfinale mit 1:2, weil das Personalpuzzle diesmal nicht aufgeht.

Warschau - Joachim Löw steht mit verschränkten Armen an der Seitenlinie und leidet. So hat sich der Bundestrainer das nicht vorgestellt. Anstatt ins EM-Finale am Sonntag in Kiew gegen Spanien einzuziehen, muss die deutsche Nationalmannschaft jetzt nach Hause fahren. Dafür sorgte die 1:2-(0:2-)Niederlage gegen Italien. Die Party ist vorbei. Wieder wurde der Titel verpasst – wie schon 2006, 2008 und 2010.

 

Geknickt saßen die Spieler nach dem Schlusspfiff auf dem Rasen – Frust, der sich später in den Katakomben des Stadions fortsetzte. „Wir haben so viel Potenzial, schade, dass wir es nicht abrufen konnten“, sagte der Kapitän Philipp Lahm, „das ist sehr bitter für uns.“ So sah es auch Löw. „In der Kabine sind Tränen geflossen“, sagte er, „aber wir sollten jetzt nicht den Fehler machen und alles hinterfragen. Insgesamt haben wir ein gutes Turnier gespielt.“

Aber die Krönung blieb erneut versagt. Dabei wollte Löw mit seinen Spielern dieses Mal unbedingt feiern. Dazu hatte er auf einen Überraschungseffekt gesetzt und in seiner Offensivabteilung wieder eine Rotation vorgenommen. Im Vergleich zum 4:2 im Viertelfinale gegen Griechenland kam Lukas Podolski für André Schürrle zum Zug. Mario Gomez ersetzte Miroslav Klose – aber am meisten dürften die Italiener darüber gestaunt haben, dass Toni Kroos den Vorzug vor Marco Reus und Thomas Müller erhielt. Damit wählte Löw eine defensivere Strategie als bisher. Dennoch hatte das Team die erste Gelegenheit durch Mats Hummels, aber Andrea Pirlo konnte für seinen geschlagenen Keeper Gianluigi Buffon retten (5.). Die Elf von Löw hatte ein Übergewicht im Mittelfeld – wobei ein Bayern-Block auf einen Juventus-Block prallte. Während die Münchner sieben Spieler stellten, standen auf der Gegenseite sechs Turiner.

Buffon pariert immer wieder

Einer war Andrea Barzagli, der Glück hatte, dass der von ihm abprallende Ball neben das Gehäuse rollte (12.). Danach kam Kroos zum Schuss, aber Buffon parierte. Nach einem Warnschuss von Riccardo Montolivo (17.) musste jedoch der deutsche Schlussmann Manuel Neuer hinter sich greifen. Antonio Cassano setzte sich gegen Hummels durch. Seine genaue Flanke verwandelte Mario Balotelli per Kopf (20.).

Das nennt man eine effektive Chancenverwertung – was die deutsche Mannschaft beeindruckte. Das, was zuvor geklappt hatte, funktionierte nicht mehr. Bei den Italienern war es umgekehrt. Es lief rund, wie in der 36. Minute. Da erreichte ein Traumpass von Montolivo erneut den unwiderstehlichen Balotelli, der Neuer überwand.

Zu viele Schwachpunkte waren in der Elf von Löw, angefangen von Bastian Schweinsteiger über Podolski bis zu Gomez. Nervöse Deutsche gegen selbstbewusste Italiener – so sah das Kräfteverhältnis bis zur Pause aus. Das Personalpuzzle von Löw ging nicht auf.

Er korrigierte seinen Irrtum und wechselte Miroslav Klose für Gomez und Marco Reus für Podolski ein (46.). Reus führte sich gut ein, aber Buffon war auf dem Posten (48.). Lahm (49.) scheiterte, wie Khedira (55.). Das Spiel wirkte nun beweglicher. Dadurch gerieten die Italiener in Schwierigkeiten, die abzubauen schienen – vielleicht als Folge der Anstrengungen am Sonntag im Viertelfinale gegen England und einer um zwei Tage kürzeren Regenerationszeit als Deutschland, das schon am Freitag gegen Griechenland gespielt hatte.

Der Druck auf Italien nahm zu. Einen Freistoß von Reus lenkte Buffon mit den Fingerspitzen über die Latte (62.). Aber die Konter blieben gefährlich, etwa als Claudio Marchisio verzog (67.). Löw erhöhte das Risiko noch mal und wechselte Thomas Müller für Jérome Boateng ein. Alles oder nichts, lautete die Devise. Nichts, wäre die Antwort gewesen, wenn Marchisio (75.) oder Antionio di Natale (82.) getroffen hätten. Die Zeit lief den Deutschen davon. Özil verwandelte zwar noch einen Handelfmeter (90.), aber zum Ausgleich reichte es nicht mehr. Es war nichts, hieß deshalb auch so das Fazit des deutschen Auftritts.