Kiew plant mehr Soldaten einzuberufen. Allein in Deutschland leben 200 000 Ukrainer im wehrfähigen Alter. Was nun auf sie zukommen könnte.
Die Ukraine befindet sich an einem schwierigen Punkt in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland. Die russische Armee zwingt sie in einen verlustreichen Abnutzungskrieg. Das ukrainische Militär will mehr Männer mobilisieren – auch im Ausland. Was kommt auf die Ukrainer in Deutschland zu? Ein Überblick.
Wie ist die Lage der Ukraine?
Die Ukrainer brauchen nicht nur mehr Ausrüstung und Munition, sondern auch neue Soldaten. Viele der Einheiten sind erschöpft, manche bekommen monatelang keinen Fronturlaub. In der Ukraine ist eine Debatte darüber entstanden, wie fair die Lasten dieses Krieges verteilt sind.
Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte kürzlich, das Militär wolle bis zu einer halben Million neue Soldaten einziehen. Verteidigungsminister Rustem Umerow kündigte an, Ukrainer im Alter von 25 bis 60 Jahren in Deutschland und anderen Ländern künftig aufzufordern, sich in den Rekrutierungszentren der Streitkräfte zu melden. Auch Sanktionen wurden angedeutet. Inzwischen relativierte das ukrainische Verteidigungsministerium diese Aussage wieder.
Wie viele Ukrainer im wehrfähigen Alter leben in Deutschland?
In der Ukraine gelten Männer zwischen 18 und 60 Jahren als wehrfähig. Sie dürfen seit Kriegsbeginn nicht mehr aus dem Land ausreisen. Manche Männer haben das Land illegal verlassen.
In Deutschland leben etwa 200 000 Ukrainer im wehrfähigen Alter. In ganz Europa sind es rund 600 000. Dass all diese Menschen auch tatsächlich zum Kriegsdienst eingezogen würden, ist nicht zu erwarten. Neben medizinischen Gründen können andere Faktoren gegen einen Einsatz sprechen. So werden in der Ukraine derzeit Väter mit drei oder mehr Kindern nicht einberufen.
Können Ukrainer wegen der Rekrutierung aus Deutschland abgeschoben werden?
Dazu wird es wohl nicht kommen. „Dass wir nun Menschen gegen ihren Willen zu einer Wehrpflicht oder zu einem Kriegsdienst zwingen, das wird nicht der Fall sein“, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP). „Ich kann mir das nicht vorstellen, da unsere Verfassung ja für deutsche Staatsbürger vorsieht, dass niemand gegen seinen Willen Dienst an der Waffe leisten muss, dass wir Menschen anderer Staaten dann dazu zwingen können“, betonte Buschmann.
Es sei gut, dass die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in einem unkomplizierten Verfahren in Deutschland aufgenommen worden seien und die Möglichkeit zu arbeiten erhalten hätten. Auch aus anderen Ministerien hieß es, man werde keine ukrainischen Einberufungsbefehle vollstrecken.
Welche anderen Vorschläge gibt es?
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter befürwortet, dass Deutschland Kiew bei seinen Bemühungen hilft. „Deutschland sollte die Ukraine bei der Rückführung der rund 200 000 männlichen Ukrainer im wehrfähigen Alter unterstützen. Zwar gilt selbstverständlich das Asylrecht, dennoch gibt es Möglichkeiten, die freiwillige Rückkehr mit Anreizen zu unterstützen“, sagte er dieser Redaktion. Er schlug vor, mit der Ukraine ein Abkommen zu vereinbaren, in dem etwa ein Wahlrecht zum Einsatz festgehalten werde. Man könne auch vereinbaren, „Anreize wie Bürgergeld in Deutschland für diese Gruppe auszusetzen“, sagte Kiesewetter.
Der CDU-Politiker sagte, er habe Verständnis für das Recht der Kriegsdienstverweigerung, es sei aber ein Unterschied, ob Krieg freiwillig geführt werde oder es sich um einen Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen das eigene Land handle. Kiesewetter betonte: „Die tapferen ukrainischen Soldaten kämpfen zum Teil fast zwei Jahre ohne Erholungsphasen. Es ist deshalb nötig, diese Soldaten und ihre Familien zu entlasten.“