Im Stuttgarter Verkehrsverbund (VVS) gibt es beim neuen Deutschlandticket fast nur Gewinner. Im März beginnt der Countdown. Wir sagen, was jetzt zu tun ist – und welche Gruppe als einzige verliert.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Nichts tun, das ist für VVS-Stammkunden der beste Rat zum 1. Mai, wenn das 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr in Deutschland an den Start geht. Im März wird bei ihnen ein Brief ihres Abo-Anbieters eintreffen, der besagt: Wer sich nicht rührt, wird auf das Deutschlandticket umgestellt. Es gibt aber ein Kündigungsrecht.

 

Doch warum kündigen? Querbeet ist das Deutschlandticket, abgesehen von seinem deutlich größeren Radius, für bisherige Abo-Nutzer billiger. Das gilt für jedes Ticket – egal wie viele Zonen, egal ob 9-Uhr-Ticket oder Firmenticket. Attraktiv ist es wegen der flexiblen, monatlichen Kündigungsmöglichkeit auch für VVS-Kunden, die sich nicht auf ein Jahresabo festlegen wollen und dafür bisher einen etwas höheren Preis für das Monatsticket in Kauf nehmen. Wer bis zum 10. eines Monats die Kündigung ausspricht, kann zum 1. des Folgemonats aussteigen.

Abo rechnet sich deutlich schneller

Neu rechnen sollten Nahverkehrskunden, die bisher das Viererticket oder das rabattierte Handyticket nutzten. Bisher gilt unabhängig von der Zahl der Zonen die Faustregel, dass man mindestens drei Wochen im Monat von Montag bis Freitag auf einer Strecke pendeln muss, damit sich ein Monats- oder Jahresticket lohnt.

Doch beim Deutschlandticket reichen etwa in einer Zone neun Fahrten hin und zurück im Monat, etwa im Stuttgarter Stadtbereich. Wer mehr als zwei Tage die Woche pendelt, ist im Plus. Je weiter man fährt, umso schneller amortisiert sich das Ganze. Bei drei Zonen, also etwa der Verbindung von Plochingen oder Winnenden nach Stuttgart, genügen monatlich sieben Hin- und Rückfahrten.„Wir rechnen damit, dass frühere Abonnenten, die wegen der Pandemie und dem Homeoffice ihr Abo gekündigt haben, nun ins Abo zurückkehren“, sagt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler.

Neukunden sollten vorbestellen

„Wir erwarten in der Einführungsphase einen großen Ansturm in den Kunden-Centern“, sagt Stammler weiter. Er mahnt Neukunden dringend, die Möglichkeit einer Vorbestellung zu nutzen. Sich am Automaten ein Deutschlandticket zu ziehen wird nicht gehen. Das Ticket gibt es nur digital. Es braucht eine Chipkarte als Fahrausweis oder die entsprechende App für das Handy-Ticket. Aber dafür muss man registriert werden, und im Falle einer neuen Chipkarte muss diese erst erstellt und versandt werden. Die Bestellung geht auch online. Der Monatsbetrag wird als Lastschrift abgebucht.

Einige große Gewinner

Satte finanzielle Gewinner sind die bisherigen Nutzer einer VVS-Netzkarte: Sie sparen, je nachdem ob sie ein normales Jahresabo oder ein rabattiertes Firmenticket nutzen, künftig 1887 beziehungsweise 1787,40 Euro im Jahr. Bei einer Zone sind es immerhin jährlich 169 beziehungsweise 160,40 Euro. (Es gibt beim Deutschlandticket einen fünfprozentigen Firmenticket-Rabatt.)

Aber selbst beim preiswerten 9-Uhr-Ticket für eine Zone geht die Rechnung noch auf null auf. Senioren, die bisher mit einer Jahreskarte sehr günstig im ganzen VVS-Netz unterwegs waren, verbessern sich auf das Jahr gerechnet um 34,80 Euro. Im Vergleich zur Senioren-Netzkarte auf Monatsbasis sind es sogar 46 Euro im Monat.

Kleiner Nachteil für Senioren

Senioren sind allerdings die einzige Gruppe, die unterm Strich auch einen effektiven Nachteil hat. Aufgrund der bundeseinheitlichen Tarifregelung wird es künftig nicht mehr möglich sein, an Wochenenden und Feiertagen drei Kinder zwischen 6 und 17 Jahren gratis mitnehmen zu können. Diese bisher bei allen VVS-Abonnements – für eigene Kinder sogar in unbegrenzter Zahl – geltende Möglichkeit entfällt generell.

Der VVS bietet zum Ausgleich in eigener Tarifhoheit ein Zusatzticket für 9,90 Euro im Monat an, mit dem man sich die bisher beim Jahresticket Plus geltende, deutlich großzügigere Mitnahmeregelung erkaufen kann: Die gilt dort zusätzlich auch unter der Woche ab 19 Uhr, und man darf neben Kindern auch einen Erwachsenen mitnehmen. Zudem ist das Ticket übertragbar. Allerdings gilt dieser Bonus dann nur für das VVS-Gebiet.

Bei den normalen Abos gleicht der günstigere Preis des Deutschlandtickets diesen Extrabetrag aus. Ein Firmenticket für eine Zone wäre inklusive Zuschlag nur 1,40 Euro im Jahr teurer als heute. Senioren, die das neue Zusatzticket nutzen wollen, müssen aber 84 Euro im Jahr mehr als für das bisherige Senioren-Jahresabo zahlen – ein Plus von 13 Prozent. Sie können aber der Umstellung auf das Deutschlandticket widersprechen und ihr altes Abo weiterführen.

Änderungen beim Firmenticket

Beim vom Arbeitgeber bezuschussten Firmenticket wird es künftig nur noch einen Rabatt von fünf und nicht mehr zehn Prozent geben. Damit wird das 49-Euro-Ticket immerhin zu einer 46,55-Euro-Monatskarte.

Nicht bezuschusste Firmentickets werden abgeschafft. Und in Firmen, die beim neuen, höheren Mindestzuschuss von 12,25 Euro je Mitarbeiter und Monat statt bisher zehn Euro nicht mitziehen, werden die Nutzer auf das Standardticket umgestellt. Der VVS will aber möglichst viele Unternehmen für die neue Regelung gewinnen. Die bisherigen Firmenticketnutzer können aber beruhigt sein: Auch mit dem Deutschlandticket-Standardtarif zahlen sie im Vergleich zu bisher nichts drauf.

Welche Zukunft haben alte Tarife?

Eigentlich könnte der VVS zumindest bei den Abonnements seine bisherigen Tarife radikal abschaffen. Das gilt auch dann, wenn das Deutschlandticket teurer wird – denn Tariferhöhungen sind auch im VVS kein Fremdwort. Bis Ende des Jahres wird es aber alle bisherigen Tarife weiterhin geben. Man wolle erst die Nachfrage analysieren, sagt der VVS-Geschäftsführer. Das Loch in der Kasse durch die niedrigeren Preise beziffert man mit mindestens 80 Millionen Euro im Jahr – ein Verlust von etwa einem Fünftel.