Mit der Stadtbahnlinie U 12 ist im Dezember nicht nur eine der längsten Strecken in Betrieb genommen worden. Thomas Dietz, der Chef der Stadtbahnfahrerausbildung, erzählt, warum die U 12 seine Lieblingslinie ist.
Stuttgart - Man könnte sagen, die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) lassen es sich einiges kosten, um ihren Mitarbeitern den Weg zum Arbeitsplatz so angenehm wie möglich zu gestalten. Thomas Dietz, 52, der Chef der Stadtbahnfahrerausbildung, muss nicht lang überlegen, wenn man ihn fragt, mit welcher Linie er am liebsten unterwegs ist. Es ist die U 12, die ihn neuerdings ohne Umstieg von seinem Wohnort Remseck zum SSB-Ausbildungszentrum nach Möhringen bringt. Rund 200 Millionen Euro hat der Ausbau des letzten Streckenabschnitts zwischen Europaviertel und Neckartal gekostet.
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Gut, Dietz ist nicht der einzige, der tagein, tagaus hier chauffiert wird, es profitieren auch noch ein paar andere Fahrgäste von der Strecke, die seit Anfang Dezember die Stadt von Norden nach Süden durchquert und mit gut 24 Kilometern zu den längsten Linien zählt. Wiewohl Dietz als gelernter Stadtbahnfahrer in erster Linie am reibungslosen Ablauf des Schienenverkehrs interessiert ist, als Fahrgast hat er auch ein Auge für das, was sich abseits der Gleise abspielt. Die U 12, sagt er, sei für ihn „eine der abwechlungsreichsten, interessantesten und schönsten Linien im Netz“.
Der Fahrgast sieht mehr als der Autofahrer
Als Fahrgast kann Dietz dies auskosten, zumal die erhobene Position in der Bahn den Blick auf Dinge freigibt, die dem gemeinen Autofahrer entgehen: Rechts am Stadtbahnfenster taucht der Max-Eyth-See auf; dahinter die steil ansteigenden Weinberge des Keefertals; darüber Freibergs Skyline.
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Manchmal müssen Stadtbahnfahrer auch laufen. Kurz bevor der letzte Streckenast der neuen U 12 zwischen den Haltestelle Milchhof und Budapester Platz fertiggestellt wurde, sah man hier immer wieder Menschengruppen, die sich von Touristen darin unterschieden, dass sie ausschließlich an Gleisen und Signalen interessiert waren. „Wir haben 952 Mitarbeiter zu Fuß eingewiesen“, erzählt Dietz. „Es hat fast acht Wochen gedauert, bis wir mit allen die Strecke abgelaufen waren. Fahren können die natürlich alle, aber man muss sie auf die Besonderheiten hinweisen.“ Streckenkunde heißt das im Schienendeutsch.
Trotz automatischer Steuerung kein Kinderspiel
1992 kam Thomas Dietz zu den SSB. Im ersten Jahr war er noch auf den alten GT-4-Straßenbahnen eingesetzt und in Bad Cannstatt stationiert, dann wurde er auf die neuen Stadtbahnen eingelernt. Seit 21 Jahren bildet er selbst Fahrer für den Schienenverkehr aus, seit 16 Jahren leitet er den Bereich. Ob er sich noch an seine Zeit als Straßenbahnfahrer erinnere? „Das war ein Unterschied wie Tag und Nacht“, sagt er. Vor allem zur Hauptverkehrszeit nehme die Belastung immer noch zu. Die dichtere Taktung tue ihr Übriges. Dietz: „Wenn ich in dem Hauptnadelöhr zwischen Stadtbibliothek und Olgaeck oder zwischen Stöckach und Rotebühlplatz in die falsche Taktlücke reinkomme, baut sich eine Verspätung auf.“
Anders als bei der Bahn spricht man bei den SSB schon bei Abweichungen von mehr als zwei Minuten von Verspätung. Wiewohl Pünktlichkeit einen hohen Stellenwert einnehme, sagt Dietz, gehe Sicherheit natürlich vor. Das sei der wichtigste Lehrsatz in der Ausbildung. Thomas Dietz spricht ruhig und klar. Wer sich mit ihm unterhält, bekommt den Eindruck, dass der Mann Stadtbahner und Ausbilder aus Überzeugung ist und ahnt, dass er seinen Job mit Leidenschaft betreibt. Das ändert jedoch nichts daran, dass ihn die schönste Fahrt mit der U 12 nicht rauf auf die Fildern führt, sondern heim ins Neckartal.