DFB-Elf bei der EM 2024 So geht das Team ins zweite Gruppenspiel in Stuttgart

Gute Laune nach dem 5:1 gegen Schottland: Manuel Neuer, Toni Kroos und Thomas Müller (v. li.) Foto: imago/Jan Huebner

Nach dem furiosen Auftaktsieg bei der Heim-EM nimmt die deutsche Elf die Euphorie mit – bleibt aber vor dem zweiten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Ungarn in Stuttgart auf dem Boden.

Sport: Marco Seliger (sem)

Bitte, so lange und fast schon exzessiv wie nach dem Auftaktspiel des WM-Jahres 2014 wurde dieses Mal nicht gefeiert. Damals, in Brasilien, tanzten Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und Kollegen nach dem 4:0 gegen Portugal zu Schlagermusik, ehe Bundestrainer Joachim Löw spät in der Nacht (oder früh am Morgen) im Campo Bahia den Partycrasher gab und seine Jungs ins Bett schickte.

 

Zehn Jahre später nun gab es für die DFB-Elf wieder einen Auftaktsieg mit vier Toren Unterschied bei einem großen Turnier. Doch als die Mannschaft nach dem 5:1 gegen Schottland im Eröffnungsspiel der Heim-EM am Samstagmorgen um 2.39 Uhr von München im Teamquartier in Herzogenaurach ankam, gab es noch eine Kleinigkeit zu essen. Und dann war Bettruhe angesagt, die auch eingehalten wurde.

Wenig später aber gab es vom Bundestrainer Julian Nagelsmann die Belohnung nach der starken Leistung zur Ouvertüre: Die Familien der Spieler durften kommen, und zur gelösten Stimmung am Samstag passte es auch, dass der Trikotsponsor und Gastgeber des deutschen EM-Quartiers auf dem Firmengelände sein 75. Jubiläum mit Livemusik und Spaß-Angeboten feierte. Einige Nationalspieler und Sportdirektor Rudi Völler schlenderten entspannt über das Gelände.

Bei all der guten Laune wollte auch der Bundestrainer nicht den Spielverderber geben. „Am Ende bin ich weit davon weg, ein Mahner zu sein“, sagte Nagelsmann. Vor dem zweiten Gruppenspiel am Mittwoch in Stuttgart gegen Ungarn (18 Uhr/ARD) mache es, so Nagelsmann weiter, „wenig Sinn, jetzt zu viel zu bremsen“. Ein bisschen aber schon.

Weiter Vollgas geben, aber dennoch auf dem Boden bleiben, das ist die Devise der DFB-Elf und ihres Trainers – die sich allerdings, so ist das im schnelllebigen Fußballgeschäft, erst recht bei einem großen Turnier im eigenen Land, von äußeren Einflüssen und Stimmungen nicht wird lösen können. Und es im Erfolgsfall, klar, auch gar nicht will.

Selbst beim Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) etwa stiegen nun nach dem 5:1 gegen die Schotten die Erwartungen. „Also nach dem Auftakt, glaube ich, kann man wirklich hoffen, dass es bis zum Schluss geht – und ich bin da ganz zuversichtlich geworden“, sagte der Kanzler. Auch der DFB-Präsident surfte mit auf der Welle der Begeisterung, die am Freitagabend durchs Stadion und die Fanmeilen in der Republik ging. „Die Stimmung war fantastisch, man hat die Wucht gespürt, die der Fußball entfalten kann“, sagte Bernd Neuendorf. Und überhaupt, so der Verbandschef weiter: Die Spieler hätten „Herz und Leidenschaft“ gezeigt.

Und sportlich? Da ging der Plan Nagelsmanns gegen die Schotten voll auf. Doch der 36-Jährige gab das Lob nach seinem ersten Turnierspiel weiter. „Die Mannschaft gibt mir viel Energie zurück“, sagte Nagelsmann, der sich besonders über eine Sache freute nach dem Kantersieg zum Auftakt. Der späte Gegentreffer durch das unglückliche Eigentor von Antonio Rüdiger gab Anlass für kurzen Frust – aber, so Nagelsmann: „Es ist gut, dass sich die Mannschaft sehr über das Gegentor aufgeregt hat. Das ist beim Stand von 4:0 ein gutes Zeichen.“

Nicht minder positiv: Der Auftritt des Kapitäns Ilkay Gündogan, der nach mehreren durchwachsenen Leistungen im DFB-Dress und der Suche nach der Positionierung auf dem Platz eine starke Partie zeigte. „Ich bin froh, dass ich heute der Bessermacher sein durfte für die Nebenleute“, sagte Gündogan hinterher bescheiden.

Draufgängerisch und forsch war die deutsche Elf dagegen vorher im Angriff unterwegs gewesen. Die Effektivität vor dem gegnerischen Tor war in jüngerer Vergangenheit oft ein Makel des DFB-Teams. Nun, zum EM-Auftakt, scheint der Knoten geplatzt. „Es war wichtig, dass wir viele Tore geschossen haben, auch verteilt“, sagte Nagelsmann nach den Treffern der Offensivkräfte Florian Wirtz, Jamal Musiala, Kai Havertz und Niclas Füllkrug sowie von Mittelfeldmann Emre Can.

Verborgen ist diese Treffsicherheit am Freitagabend kaum jemandem geblieben – denn das EM-Eröffnungsspiel sorgte für Top-Einschaltquoten im ZDF. 22,49 Millionen Zuschauer sahen den deutschen 5:1-Sieg, was einen Marktanteil von 69 Prozent bedeutete. Das ZDF übertraf damit auf Anhieb die Einschaltquoten für die Partien des deutschen Teams bei der WM in Katar. Im Spätherbst 2022 hatten 17,43 Millionen Menschen das Turnier-Aus im letzten Gruppenspiel gegen Costa Rica verfolgt, es war der Topwert des Turniers damals.

Fünf Millionen mehr Zuschauer als in Katar – auch diese Steigerung zeigt: Es hat sich stimmungsmäßig etwas gedreht rund um die Heim-EM und die DFB-Elf.

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