Vor dem Klassiker zwischen England und Deutschland im Londoner Wembleystadion genießt der Bayern-Star die Erinnerungen an vergangene Aufeinandertreffen – und legt den Finger in die englischen Wunden.

Sport: Marco Seliger (sem)

Herzogenaurach - Jeder Fußballinteressierte und erst recht jeder Fan hat es – dieses eine große Turnier, an das er sich immer erinnern wird. Weil es das erste war, das man bewusst wahrgenommen hat. Auch Thomas Müller hat dieses Turnier, das ihm bleiben wird. Es ist die EM 1996, bei der der damals fast siebenjährige Knirps daheim in Pähl am Ammersee Fußballspiele im Fernsehen schaute und zumindest einigermaßen kapierte, was er da so sah. Im Sommer 1996 wurde Deutschland Europameister in England. Man kann als deutscher Fußballinteressierter also schlechtere erste Turnier-Erlebnisse haben als Thomas Müller.

 

Den deutschen Sieg 1996 sah Müller am Fernseher

Am Samstagmittag sprach der ehemalige Knirps und heutige Weltstar über „meine ersten Fußball-Live-Erlebnisse am Fernseher“ – bei denen er kapiert habe, dass es um viel gegangen sei auf dem Platz. Jetzt, 25 Jahre später, geht es bei der EM wieder um viel. Und Müller wird auf dem Platz stehen im großen Achtelfinale gegen England an diesem Dienstag. So schließt sich ein Kreis, denn im Sommer 1996, da sah Müller am TV-Gerät auch den deutschen Sieg an der gleichen Stätte, im Halbfinale im alten Wembleystadion gegen England.

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Müllers Geschichten mit England, Deutschland und Wembley aber hören nicht im Sommer 1996 auf, sie gehen weiter. Und der Müller, der ist ja nicht nur auf dem Platz ein Fuchs, er ist es auch daneben. Er hat die Kniffe des verbalen Vorspiels vor so einem großen Duell drauf. Als er nun auf dem Pressepodium des deutschen EM-Quartiers von Herzogenaurach auf die angebliche englische Angst vor ihm angesprochen wurde, da gab Müller den Müller. Er verwertete die Vorlage – und richtete subtile Kampfansagen an den Gegner vom Dienstagabend. „Also ich habe ja gute Erfahrungen mit England gemacht“, sagte Müller und erzählte weitere Anekdoten aus seinem Leben: „2010 habe ich bei der WM in Südafrika im Achtelfinale gegen England zwei Tore geschossen – und 2013 haben wir mit dem FC Bayern in Wembley die Champions League gewonnen.“

„Wir wollen sie unsicher machen“

Müller aber beherrscht nicht nur die feine Klinge, wenn es um sogenannte Kampfansagen vor großen Spielen geht. Der Offensivmann kann verbal auch den Säbel rausholen, und das hört sich so an: Die deutsche Elf will die traditionelle Schwäche der bei großen Turnieren stets hoch gehandelten, aber oft tief gefallenen Engländer ausnutzen. Müller sagte also: „Wir wollen natürlich auch immer wieder in diese englische Turnierwunde reinstechen. Wir wollen sie unsicher machen.“

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England wartet seit dem WM-Triumph 1966 auf einen großen Titel. In der Vorrunde hat die Mannschaft obendrein nicht überzeugt. „Die Engländer versuchen, sich ein bisschen Selbstbewusstsein einzureden“, sagte Müller also weiter spitz. Und: „Ich sehe uns absolut in der Lage, England zu schlagen – auch wenn die gut sind.“

Dass auch die deutsche Elf bisher nicht immer gut war und bei der EM viele Schwächen zeigte, das war für Wortführer Müller bei seiner Regierungserklärung vom Wochenende eher am Rande ein Thema. Lieber widmete er sich genüsslich weiter der Bedrohung, die er laut britischen Medien für England sei. „Also das Gefühl würde ich am Dienstag gerne bestätigen“, sagte Müller und lieferte zum Schluss einen typischen Müller: „Das hängt dann aber von meinen Aktionen auf dem Platz ab – es wird nicht viel bringen, wenn ich meinem Gegenspieler erzähle, dass ich eine Bedrohung für ihn bin.“