Der Drittligist Holstein Kiel, der Pokalgegner des VfB Stuttgart, will vor dem Spiel an diesem Samstag alles machen wie immer. Und hofft so auf eine Überraschung.

Kiel - Am Samstag wird die Mannschaft von Holstein Kiel ein Tageshotel beziehen, wie vor Drittligaspielen, die am Abend angepfiffen werden und nicht wie gewohnt um 14 Uhr. Aber sonst? Sonst will der Trainer Karsten Neitzel seine Profis auf die Erstrundenpartie im DFB-Pokal gegen den zwei Klassen höher spielenden VfB Stuttgart (Samstag, 20.30 Uhr) genauso vorbereiten wie auf jedes andere Spiel.

 

Neitzel (47) fände es seltsam, sich auf den Festtag im Pokal anders einzustimmen als auf ein Treffen mit Fortuna Köln oder der zweiten Garnitur von Werder Bremen. Seiner Meinung nach würde das bedeuten, dass man die Ligapflicht weniger ernst nähme. Bloß nicht – abgesehen vom Hotelaufenthalt machen die Kieler alles wie immer, und auch wenn das Spiel angepfiffen ist, wollen sie sich nicht von ihrer Linie abbringen lassen. Ordentlich verteidigen, gucken, was nach vorne geht. „Einfach strukturiert spielen, das hat Manchester City nicht geschafft“, erläutert der Trainer sein Konzept mit Bezug auf das 4:2 der Stuttgarter gegen ManCity. Vielleicht ist dann sogar eine Überraschung drin. Und Überraschungen, so viel ist klar, können die Kieler gut.

In der Gefühlsachterbahn

Vor zwei Jahren wäre die Mannschaft fast aus der dritten Liga abgestiegen, erst am letzten Spieltag schafften Neitzels Männer die Rettung. Die abgelaufene Spielzeit hätte dann fast mit dem Aufstieg in die zweite Liga geendet. Die Kieler wurden Dritter, scheiterten in der Relegation gegen 1860 München denkbar knapp. Im Hinspiel gab es ein 0:0, im zweiten Treffen in der Münchner Arena kassierten sie das fatale 1:2 erst in der Nachspielzeit.

Ein knappes Scheitern kann eine Mannschaft nachhaltig verstören, es kann ihr einen Knacks geben. Trainer Neitzel versucht, die vergangene Saison nicht von hinten zu deuten, nicht als Saison des verpassten Aufstiegs. „Von der Erfahrung gegen 1860 können wir uns nicht viel kaufen. Wir sollten die Erfahrungen in die neue Saison mitnehmen, die uns auf Platz drei geführt haben“, sagt der Coach. Von einer psychologischen Bremse durch den verpassten Aufstieg in der Nachspielzeit will er nichts wissen.

Trainer Karsten Neitzel ist ein guter Griff

Mit Psychologie könnte man allerdings womöglich das 0:4 vor eigenem Publikum gegen die zweite Mannschaft von Mainz 05 zum Start der Saison erklären. Die Tatsache, dass die Kieler in Rafael Kazior und Mikkel Vendelbo zwei der wichtigsten Spieler abgegeben haben, reicht als Erklärung ebenso wenig wie das Verletzungspech. Stammtorwart Kenneth Kronholm, der aus Osnabrück gekommene Milad Salem und der Stürmer Saliou Sané fehlen zurzeit. Immerhin: mit dem Sieg in Halle im zweiten Saisonspiel konnte Kiel den Fehlstart abfedern.

In Neitzel hat der Verein einen guten Griff gemacht, das zeigt neben dem Fast-Aufstieg vor allem seine Herangehensweise. Nach seiner aktiven Karriere, die ihn auch zu den Stuttgarter Kickers geführt hatte, wurde Neitzel in Freiburg als Trainer sozialisiert, arbeitete insgesamt 15 Jahre als Assistent Volker Finkes und eignete sich einen ähnlich akademischen Zugang zum Fußball an wie sein Ex-Chef.

Neue Spieler interessieren ihn zum Beispiel nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch: „Es macht Riesenspaß, mal nachzufragen: Was ist denn passiert in deiner Karriere?“, sagt Neitzel. Der gebürtige Dresdner erhält sich eine gewisse Distanz zum Profigeschäft. Es irritiert ihn, dass den Fußballern alles abgenommen werde, die Vertragsverhandlungen, die Wohnungssuche, die Pflege der eigenen Ausrüstung. „Spieler reden immer davon, dass sie mehr Verantwortung übernehmen wollen. Aber wenn es um die eigenen Dinge geht, wird die Verantwortung oft weggeschoben“, sagt Neitzel.

Verantwortung übernehmen, das beginnt für ihn im Kleinen. Anders als im Profifußball üblich, müssen die Spieler von Holstein Kiel ihre Schuhe selbst putzen. Auch nach dem Pokalspiel gegen den VfB.