Der Sieg gegen Italien beschert der Nationalelf vor der EM Ruhe – und Joachim Löw bis zur Kadervorstellung am 19. Mai noch einiges Kopfzerbrechen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

München - Mit der Präsentation des Spielerkaders vor einem wichtigen Fußballturnier verhält es sich ja wie mit so vielen schönen Dingen des Lebens. Nicht auf die Verpackung, sondern auf den Inhalt kommt es an. Schließlich kann man, wie vor der EM 2008 in Österreich und der Schweiz geschehen, zur Verkündung der Spielernamen bis auf die Zugspitze klettern – um dann im Finale gegen Spanien kurz vor dem Ziel zu stolpern. Oder man macht es ohne großes Tamtam wie 2014: Damals verkündete Bundestrainer Joachim Löw schnörkellos in der DFB-Verbandszentrale in Frankfurt, wer ihn nach Brasilien begleiten dürfe – gemeinsam sicherte man sich zwei Monate später in Rio den WM-Pokal.

 

Wie es am 19. Mai bei der Kader-Vorstellung vor der EM 2016 in Frankreich zugehen wird, ob mit Ballyhoo oder faktenorientiert, das wollen die DFB-Macher noch nicht verraten. Dass man seitens des Verbandes die Weltmeister-Elf neuerdings etwas abgehoben als „La Mannschaft“ zu Markte trägt, muss dabei nicht unbedingt als Fingerzeig dienen. Wohl aber die Worte Löws, der nach dem souveränen 4:1 über Italien ankündigte: „Es wird einen harten Kampf um die Plätze geben. In einigen Fällen werden die Eindrücke der nächsten Wochen entscheiden.“

Das Ende der Sieglos-Serie gegen Italien

Immerhin beendete der Erfolg über die Azzurri nicht nur eine 21 Jahre lange Sieglos-Serie; vielmehr schaffte er nach dem irritierenden 2:3 gegen England wieder eine positive Grundstimmung. „Jetzt können wir ohne Druck von außen in die Vorbereitung gehen“, sagte Thomas Müller, der sein Ticket sicher hat. Andere nicht, denn die Partie in der nicht ausverkauften Münchner Arena führte Joachim Löw mal wieder vor Augen, aus welch breitem Sortiment an Spitzenspielern er sich bedienen darf. Wenn sich seine Elitekicker vom 23. Mai an zum ersten Trainingslager im Tessin um ihn scharen, wird es um die sportliche Qualität des Kaders kaum schlechter bestellt sein als vor zwei Jahren. Trotz der Abgänge der drei Säulen Miroslav Klose, Philipp Lahm und Per Mertesacker.

Einen Hoffenheimer (Sebastian Rudy), einen Kölner (Jonas Hector), einen Wolfsburger (Julian Draxler) einen Römer (Antonio Rüdiger) und einen Valenciano (Shkodran Mustafi) gab es diesmal in der Startelf zu sehen – derlei Vielfalt ist neu. Zur Erinnerung: im WM-Finale standen sechs Bayern-Spieler in der Anfangsformation, diesmal waren es in Thomas Müller und Mario Götze nur zwei. „Wir haben die Dinge, die wir nach der Niederlage gegen England besprochen haben, diszipliniert zu Ende geführt“, erklärte Löw – und lobte vor allem die von ihm neu kreierte Dreierkette mit Rüdiger-Mustafi-Hummels: „Sie haben ihre Sache hervorragend gemacht.“

Der Angstgegner agierte diesmal zahnlos

Tatsächlich wird nicht nur einiges an taktischer Variabilität drinstecken in Löws 23-köpfigem EM-Kader für Frankreich. Denn eine Mannschaft, die gegen den viermaligen Weltmeister Italien den Ausfall der Mittelachse Neuer-Boateng-Khedira- Schweinsteiger verkraften kann, die zählt zu den Topanwärtern auf den Titel. Dass der Angstgegner – die Azzurri sind ein möglicher Rivale fürs EM-Viertelfinale – diesmal zahnlos agierte, spielte eine untergeordnete Rolle. Während das Mittelfeld mit den Technikern Marco Reus, Thomas Müller sowie den diesmal defensiver agierenden Toni Kroos und Mesut Özil traditionell edel bestückt ist, machten andere zum richtigen Zeitpunkt auf sich aufmerksam.

Neben Mario Götze („Wenn ich spielen darf, bin ich glücklich“), dem sein Tor im 50. Länderspiel sehr gut getan hat, zeigte Antonio Rüdiger, dass auch er einer für gehobenes internationales Niveau ist. Punkten konnte auch Sebastian Rudy: In Hoffenheim nicht immer ein Leitwolf, machte der 26-Jährige im rechten Mittelfeld eine starke Partie und könnte wie Rüdiger auch hinten rechts spielen. „Die Tür ist noch offen“, sagte Löw.

Während der Bundestrainer mit Blick auf die Knieverletzung von Kapitän Bastian Schweinsteiger „in Ruhe abwarten“ will, dürften gleichzeitig zwei Drittel der Kaderplätze besetzt sein. Zu den Kandidaten für die restlichen sechs, sieben Tickets zählen viele begabte Profis, darunter Akteure ohne Länderspieleinsatz wie der Torhüter Kevin Trapp, junge Aufsteiger wie Julian Weigl oder Leroy Sané, aber auch gestandene Weltmeister wie Christoph Kramer und Lukas Podolski.