Kim Kulig und Simone Laudehr bilden die Doppelsechs der Nationalmannschaft und orientieren sich an ihren männlichen Vorbildern.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Mönchengladbach - Die eine schläft in Bettwäsche des VfB Stuttgart, während die andere ein Schweißband mit dem Logo des FC Bayern München als unverzichtbaren Glücksbringer hütet: Gemeinsam sind Kim Kulig und Simone Laudehr das Herzstück im Mittelfeld der deutschen Frauenfußball-Nationalelf, sie bilden die Doppelsechs im 4-2-3-1-System der Bundestrainerin Silvia Neid. Unterschiedliche Rollen besetzen die beiden Blondinen aber dennoch: Während Kulig der lebensfrohe, modebewusste und mental starke Shootingstar in der deutschen Elf ist, gilt Laudehr als ehrgeizige Führungsspielerin, die sich auch Gedanken über das große Ganze macht.

 

Praktischerweise hat sich das zuweilen ungleiche Duo für den Job auf dem Fußballplatz jeweils ein Vorbild ausgesucht, das bei der Männer-WM 2010 in Südafrika auf der Position im defensiven Mittelfeld Akzente setzte: Denn Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger hatten 2010 mit starken Auftritten einen großen Anteil an WM-Platz drei der DFB-Elf. "So wichtig wollen wir auch werden", sagt Laudehr.

Während Kim Kulig, die aus dem Ammertal nahe Herrenberg kommt und sich als Jugendliche zunächst heimlich zum Training des SV Poltringen geschlichen hat, für Khedira, den früheren VfB-Star und heutigen Profi von Real Madrid schwärmt, schaut sich Laudehr vom FCR Duisburg, die einst selbst für den FC Bayern aktiv war, viel von Schweinsteiger ab. "Ich kopiere ihn nicht", sagt die 25-Jährige mit der Trikotnummer sechs, "aber ich probiere, das Positive seiner Spielweise mit meinen Talenten zu kombinieren."

Zu selten setzt das Gespann positive Akzente

Bisher hat das Mittelfeldduo Laudehr/Kulig seine Aufgabe, gemeinsam das Spiel der DFB-Auswahl anzukurbeln, nur mäßig auf dem Rasen umgesetzt. "Alle spielen aggressiv, wollen den Weltmeister stürzen", erklärt Laudehr die Startschwierigkeiten in der deutschen Zentrale, "aber wir haben den Ball oft auch zu lange gehalten - und uns zu viele Fehlpässe erlaubt."

Kulig sieht das ähnlich: "Wir wissen, dass uns eine Schlüsselrolle zukommt", sagt die 21-Jährige, die von Nervosität angesichts der für die Frauen ungewohnt vollen Stadien aber nichts wissen will: "Die Massen im Stadion sind nicht leistungshemmend. Sie motivieren uns." Allerdings ist man von ihr, der jungen Dynamikerin im Team, sowie von ihrer Partnerin Laudehr, der Bankkauffrau mit Waschbrettbauch, mehr Spielwitz gewohnt, als die beiden gegen Kanada (2:1) und Nigeria (1:0) zum Auftakt der Heimweltmeisterschaft bisher gezeigt hat.

Zu selten setzte das Gespann - anders etwa als in den Testspielen - positive Akzente. Immerhin darf Laudehr ("Wir wollen schnellstmöglich besseren Fußball spielen") bereits auf ein persönliches Erfolgserlebnis verweisen: Im Spiel gegen Nigeria erlöste sie die Kolleginnen, die 48.000 Fans im Stadion sowie die 16,3 Millionen Zuschauer an den Bildschirmen (das ist neuer Rekord für die DFB-Frauen), in dem ihr im Anschluss an eine Ecke in der 54. Minute das Tor zum 1:0 gelang. Danach rutschte Laudehr auf den Knien über den Rasen, riss sich das Trikot über den Kopf - und wurde am Boden liegend von den jubelnden Kolleginnen fast erdrückt. "Da kann es einem kurz anders werden", erzählt sie - gegen einen weiteren Torerfolg am Dienstag  (20.45 Uhr/ZDF) im letzten Vorrundenspiel gegen Frankreich hätte Laudehr dennoch nichts einzuwenden.

"Der Anfangsdruck ist weg"

Vor der Partie in Mönchengladbach sind die Probleme im deutschen Lager aber nicht kleiner geworden: Neben dem Wirbel um die formschwache Birgit Prinz, die gegen Frankreich mit einer Verbannung auf die Bank rechnen muss, gibt es die ersten Ausfälle. Melanie Behringer hat sich gegen Nigeria am Sprunggelenk verletzt, während die rechte Verteidigerin Linda Bresonik ein Magen-Darm-Virus plagt.

Dennoch ist sich Simone Laudehr sicher, dass gegen die Grande Nation mehr Spielfluss zustande kommen wird. "Der Anfangsdruck ist weg, weil wir das Viertelfinale bereits erreicht haben", sagt die 25-Jährige, "und Frankreich wird außerdem nicht so hinten drinstehen wie die ersten beiden Gegnerinnen."

Wenn ihre äußerst ambitionierte Nebenfrau, eine ehemalige Klosterschülerin aus Regensburg, über die anstehenden Aufgaben spricht, dann hört Kim Kulig stets aufmerksam zu. Anders als Laudehr ist die dynamische Mittelfeldspielerin aber eher ein Bauchmensch. "Ich bin mit fünf Geschwistern aufgewachsen", sagt Kulig, die über das Bundesligateam des VfL Sindelfingen 2008 zum Hamburger SV kam und nun zum 1. FFC Frankfurt wechselt, "da lernt man sich anzupassen." Bei der Bundestrainerin Silvia Neid genießt sie großes Vertrauen, ist als eine der wenigen Spielerinnen gesetzt. "Ich gehe die Dinge gerne entspannt an", sagt die einstige BMX-Fahrerin, die schon mal ein Autogramm mit "Kim Cool-ig" signiert.

"Mut und Leidenschaft", dieses Motto - für sie ist es eine Lebensphilosophie - hat sich Kulig auf den Unterarm tätowieren lassen. Im Herbst wird sie ein Studium im Sportmanagement aufnehmen - und hofft darauf, dass ihr Herzensclub, der VfB Stuttgart, in naher Zukunft mal ein ambitioniertes Frauenteam stellt. "Vielleicht werde ich dann die Managerin", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Doch erst mal wollen Kulig und Laudehr gemeinsam möglichst Weltmeisterinnen werden. Damit hätten sie dem Duo Schweinsteiger und Khedira dann etwas voraus.