Überstunden, keine sichere Übernahme, schlechte Berufsorientierung an Schulen: Die Auszubildenden im Land haben so manchen Kritikpunkt. Wie zufrieden sie mit ihrer Ausbildung sind, hängt stark von der Branche ab.

Digital Desk: Simon Koenigsdorff (sko)

Die meisten Auszubildenden in Baden-Württemberg sind mit ihrer Ausbildung zufrieden – daran hat auch die Coronapandemie nichts geändert. Dennoch klagen viele über Missstände in ihren Betrieben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) für das Jahr 2022. Demnach schätzten rund 73 Prozent der befragten Auszubildenden ihre Ausbildung als „gut“ oder „sehr gut“ ein, ein ähnlich hoher Wert wie bei der letzten Befragung 2019. Am zufriedensten zeigten sich laut DGB-Ausbildungsreport dabei, wie in den Jahren zuvor, die angehenden Industriemechaniker, gefolgt von Kfz-Mechatronikern und Fachinformatikern. Nur rund die Hälfte der befragten Hotelfachleute, Einzelhandelskaufleute und Verkäufer war dagegen zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Ausbildung.

 

Zugleich weist die Befragung unter Auszubildenden im Land auf eine Reihe von Problemen in der dualen Ausbildung hin: Etwa 16 Prozent der Befragten gaben an, regelmäßig Aufgaben zu bekommen, die mit ihrer eigentlichen Ausbildung nichts zu tun haben – teils auch, weil sie während der Pandemie an anderer Stelle einspringen mussten. Fast die Hälfte der Auszubildenden erklärte, regelmäßig Überstunden machen zu müssen. Dabei liegt die Quote im Südwesten besonders hoch: Deutschlandweit berichtete nur rund ein Drittel der Befragten von regelmäßiger Mehrarbeit. Ein Unding für den DGB-Landesvorsitzenden Kai Burmeister: „Von den Unternehmen erwarten wir, dass ausgebildet wird und Auszubildende nicht als billige Arbeitskräfte eingestellt werden.“

Berufsorientierung an Schulen oft nicht hilfreich

Für die Azubis sei es oft „schwierig, sich zu wehren“, ergänzt Bezirksjugendsekretärin Leonie Knoll – vor allem, wenn die Übernahmeperspektiven unklar sind. Zum Zeitpunkt der Befragung wussten rund 64 Prozent der Auszubildenden nicht, ob sie nach der Ausbildung übernommen werden. Beim DGB leitet man aus den Ergebnissen mehrere Forderungen ab: Unter anderem eine „Qualitätsoffensive“ bei den ausbildenden Betrieben sowie eine Garantie auf unbefristete Übernahme. Schließlich, so Burmeister, breche derzeit jeder vierte Auszubildende seine Ausbildung vorzeitig ab.

Dass sie schon in der Schule mit dem Thema Berufswahl konfrontiert wurden, hat sich für viele Azubis rückblickend kaum gelohnt. Rund vierzig Prozent gaben an, entsprechende Angebote in der Schule hätten „gar nicht“ bei ihrer Berufswahl geholfen, einem Viertel halfen sie „weniger“. Daran ändert offenbar auch die Tatsache nichts, dass Baden-Württemberg als einziges Bundesland die Berufsorientierung im Schulfach WBS (Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung) verankert hat – denn die Werte liegen nur wenig niedriger als im Bundesschnitt. „Die Auszubildenden empfinden die Berufsorientierung noch nicht als das höchste der Gefühle“, betont Burmeister. Je höher der Schulabschluss, desto geringer die Zufriedenheit der Azubis mit der schulischen Berufsorientierung – laut Knoll ein Zeichen dafür, dass der Fokus an den Gymnasien weiterhin auf der Studienwahl liegt, obwohl immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten „auf den Ausbildungsmarkt strömen“.

Für den Ausbildungsreport wurden nach Angaben des DGB rund 450 Auszubildende aus den 25 häufigsten Ausbildungsberufen an Berufsschulen in Baden-Württemberg befragt. Der Report fußt damit allerdings coronabedingt auf einer deutlich kleineren Zahl an Befragten als bei der letzten Umfrage vor der Pandemie im Jahr 2019, als rund 2200 Auszubildende befragt wurden.