Das Tübinger Ludwig-Uhland-Institut ist mit einer Dialektausstellung unterwegs. Sie gibt Einblicke in die Besonderheit und Schönheit der baden-württembergischen Mundarten – sehens- und hörenswert.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Der Dialekt hat den baden-württembergischen Landtag erobert. Oder sagen wir so: Er hat’s in den Landtag geschafft. Zumindest für zwei Tage. Für diesen überschaubaren Zeitraum ist im Foyer des Landtagsgebäudes die vom Tübinger Ludwig-Uhland-Institut konzipierte und vom Förderverein Schwäbischer Dialekt und dem Land finanzierte Ausstellung „Dialekt und kultureller Wandel in Baden-Württemberg“ zu sehen, ehe sie auf Tour durchs Land geht – mit Mosbach und Buch als ersten Stationen.

 

Liebevoll und kenntnisreich

Landtagspräsidentin Muhterem Aras eröffnete am Mittwoch die kenntnisreich und liebevoll zusammengestellte Schau und verband damit ein entschiedenes Plädoyer für Pflege und Akzeptanz der Mundarten: „Sie schaffen Identität und stehen für Vielfalt.“

Wie viele andere hat sie die Erfahrung gemacht, dass Dialekt als minderwertig empfunden wird – oder wurde. Als sie noch Schülerin war, so berichtet Aras, habe ein Lehrer zu ihr gesagt: „Bilde dir nicht ein, dass du Deutsch kannst – das ist Schwäbisch.“ Was kein Makel ist, aber häufig als ein solcher empfunden wurde. Dazu passt die Anekdote, die der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner zum Besten gab: Im Gymnasium verlangte ein Lehrer von ihm, 100-mal zu schreiben „Ich soll kein Schwäbisch sprechen“. Der kleine Andreas schrieb und sein Vater schrieb darunter: „Das heißt nicht sprechen, du Simpl, sondern schwätzen!“ Danach war der Lehrer still.

Die Ausstellung bietet Hörproben an

Der Reichtum des Dialekts – er wird in der Ausstellung des Ludwig-Uhland-Instituts übersichtlich präsentiert. Sie legt Grundlagen für das Verständnis der traditionellen Landessprachen, die vielerorts im Rückzug begriffen sind. Umso wichtiger ist es, sich um sie zu kümmern – auch aus wissenschaftlicher Sicht, wie dies der Sprachforscher Hubert Klausmann am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft tut. Die Dialektausstellung mit Hörproben aus dem vergangenen Jahrhundert stellt einen direkten Ausfluss seiner Arbeit dar. Für Institutsleiter Reinhard Johler ist es wichtig, damit auch in der Landeshauptstadt präsent zu sein und wahrgenommen zu werden.

Parlamentariergruppe pro Mundart

Das ist durchaus der Fall. Der Dialekt hat hier prominente Unterstützer. Neben Muhterem Aras auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann. 2018 hat er eine „Dialektoffensive“ gestartet, die immerhin bewirkt hat, dass im politischen Raum über den Dialekt nicht mehr nur gelächelt wird. Großen Anteil daran hat auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Rösler. Gemeinsam mit Willi Stächele (CDU), Andreas Kenner (SPD) und Jochen Haußmann (FDP) bildet er eine Parlamentariergruppe, die sich vorgenommen hat, die Mundart in Schule und Öffentlichkeit zu stärken – mit ersten Erfolgen.

An diesem Donnerstag hat die große Mehrheit der Landtagsabgeordneten, die die Eröffnung am Mittwoch verpasst haben, noch Gelegenheit, die Ausstellung zu besuchen.