Von der Schließung des Fernsehturms über die Kostenfrage beim Filderbahnhof bis hin zu Äffle und Pferdle: Bei seiner ersten Online-Sprechstunde haben Bürger den Ministerpräsidenten mit mehr als 150 Fragen gelöchert.

Digital Desk: Anja Treiber (atr)

Stuttgart - V on der Schließung des Stuttgarter Fernsehturms über die Kostenfrage beim Filderbahnhof bis hin zu Äffle und Pferdle: Mit mehr als 150 Fragen haben Bürger dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) bei seiner ersten Online-Sprechstunde am Freitagabend auf den Zahn gefühlt. Etwa 30 beantwortete Kretschmann während des einstündigen Live-streams vor rund 1000 Internetnutzern.

 

Bereits zu Beginn der Sprechstunde um 19 Uhr waren etwa 40 Fragen über das Onlineformular auf dem Landesportal von Baden-Württemberg eingegangen. „Ich stehe Ihnen Rede und Antwort“, versprach der grüne Regierungschef gleich zu Beginn des Bürgerdialogs. Und antwortete dann doch an einigen Stellen sehr formelhaft und standardisiert auf die teils kritischen Fragen der Bürger. Seine Antworten glichen häufig eher einem Aufsager bei den Tagesthemen als einem Dialog mit Wählern. Gestellt wurden ihm die Fragen von Rudi Hoogvliet, dem Regierungssprecher der Landesregierung.

In gewohnt geduldiger Manier erklärte Kretschmann, warum seiner Auffassung nach die Energiewende den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg nicht gefährdet, was es mit der Sprechklausel bei Stuttgart 21 auf sich hat. Und er beantwortete die Frage, wie er den Menschen den Vorteil eines Endlagerstandorts in Baden-Württemberg erklären will.

Kriterien für die digitale Kommunikation

Nachdem die vorgegebenen Themenbereiche Energiewende, Bildung und Stuttgart 21 abgehakt waren, blieben noch 15 Minuten für offene Fragen. Ein Bürger aus Heidenheim wollte beispielsweise gerne wissen, ob sich Kretschmann nicht beim SWR dafür einsetzen könne, dass Äffle und Pferdle wieder häufiger im Fernsehen zu sehen sind. Nach der kurzen, staatsmännisch vorgetragenen Klarstellung, dass der Ministerpräsident natürlich nicht in die Belange eines Rundfunksenders eingreifen könne, versicherte Kretschmann dem Fragesteller dann doch mit einem breiten Grinsen im Gesicht, dass er bei Gelegenheit ein unverbindliches Gespräch mit dem Intendanten des Südwestrundfunks führen werde.

„Ein solches Format wie die Online-Sprechstunde funktioniert nur dann gut, wenn sich der Politiker auf den Ton der Bürger einlässt“, weiß die Expertin für digitale Kommunikation, Simone Jost-Westendorf. Eine gewisse Lässigkeit und die Fähigkeit, sich durch kritische Fragen nicht in die Defensive bringen zu lassen, seien gefragt. Jost-Westendorf ist Sprecherin von Politik-Digital.de, einem parteiübergreifenden Anbieter von Livechats, der dafür mit dem „Grimme Online Award Medienkompetenz“ ausgezeichnet wurde.

Ob es weitere Sprechstunden geben wird, ist noch unklar

Weitere Kriterien eines guten Live-chats seien, dass sich das Gespräch auf konkrete Themen fokussiere und die Fragen gut ausgewählt seien. Dafür waren am Freitag zwölf Mitarbeiter des Staatsministeriums zuständig. „Alle Fragen, die nicht strafrechtlich problematisch sind oder Beleidigungen enthalten, werden freigegeben“, hatte Tilo Berner, Leiter des Referats Online-Kommunikation im Staatsministerium, im Vorfeld der Sprechstunde versichert. „Wir versuchen, möglichst repräsentative Fragen rauszuziehen. Kritische Fragen auszublenden, ist dabei definitiv nicht das Ziel“, hatte er betont. Dieses Vorgehen erläuterte der Moderator Hoogvliet zu Beginn des Livestreams.

Ob die Online-Sprechstunde ein einmaliges Experiment bleibt oder fortan regelmäßig stattfindet, ist noch unklar. Zunächst sollen die Erfahrungen vom Freitagabend besprochen und ausgewertet werden. Allerdings deutete Rudi Hoogvliet bereits am Ende des Livestreams an, dass aus seiner Sicht nichts gegen eine Fortsetzung spreche.

Das Video und die Fragen zur Online-Sprechstunde mit Winfried Kretschmann finden Sie hier.