Unter dem Titel „Zum Kuckuck!“ geben vier Autoren im Literaturhaus eine Liebeserklärung an Baden-Württemberg ab – wenn auch verschämt.

Stuttgart - Zu den vielen Klischees, die mit Baden-Württemberg assoziiert werden, gehören auch die Schwarzwälder Kuckucksuhren. Das Freiburger Literaturbüro und die Baden-Württemberg-Stiftung haben dieses Klischee aufgegriffen und aus Anlass des sechzigsten Geburtstags des Landes 24 zeitgenössische Autoren gebeten, ihren Blick auf die Städte und Landschaften des Jubilars in Prosaminiaturen, lyrischen Bildern oder kleinen Essays zu Papier zu bringen, und die eingegangenen Beiträge unter dem   Titel „Zum Kuckuck! Literarische Umrisse eines Landes“ zwischen zwei Buchdeckeln versammelt.

 

Gefräßig und schreilustig

Derzeit touren einige der beteiligten Autoren mit den entstandenen Texten auf einer Lesereise durch die Region und haben dabei auch im Stuttgarter Literaturhaus Station gemacht. Hier war es das Quartett aus Zsuzsanna Gahse, Yoko Tawada, Theresia Walser und Thomas Meinecke, das unter der moderierenden Regie der aus Bremerhaven stammenden Literaturkritikerin Insa Wilke seine Loblieder auf das Geburtstagskind anstimmte.

Verschämte Liebeserklärungen

Der Kuckuck, so referierte Wilke „Brehms Tierleben“, gelte als gefräßig und schreilustig; es seien also eher schräge Gesänge zu erwarten, die zu einer literarischen Neuentdeckung des Landes einlüden. Für diese Mischung aus Nähe und Distanz bürgt schon der Umstand, dass einige der beteiligten Schriftsteller gar nicht aus dem deutschen Südwesten stammen oder heute nicht mehr hier leben: Zsuzsanna Gahse kam in Budapest zur Welt und wohnt heute in der Schweiz, Yoko Tawada wurde in Tokio geboren und lebt heute in Berlin, Thomas Meinecke war aus Oberbayern angereist, lediglich die am Bodensee aufgewachsene Theresia Walser wohnt heute, nach Stationen in Mannheim und Berlin, wieder im Land, nämlich in Freiburg. Dennoch sind alle vier Autoren mit der Region verbunden, und ihre Texte entpuppen sich als mehr oder weniger verschämte Liebeserklärungen an Baden-Württemberg.

In ihrem „Für den Hund, nicht für die Katz“ überschriebenen Beitrag bezieht sich Zsuzsanna Gahse auf eine bekannte Figur der Literaturgeschichte: den Hund Berganza, der in Büchern von Cervantes und E. T. A. Hoffmann knurrend und bellend seine Meinungen kundtut. Bei Gahse, die längere Zeit in der Landeshauptstadt gelebt hat, gilt sein Knurren der Stuttgart-Schelte, wie sie von vielen nach Berlin geflüchteten Landeskindern geübt wird. Dieser „kritischen Chormode“, die Berlin für hip und Stuttgart für spießig erklärt, will sich Berganza überhaupt nicht anschließen und preist stattdessen die Schönheit von Schlossplatz und Schloss Solitude und die Aufführungen der Stuttgarter Oper.

Was „Brechbohnen“ auf japanisch bedeutet

Theresia Walser widmet ihren Text dem „Mannheimer Licht“, das der Stadt am Zusammenfluss von Neckar und Rhein eine eigentümliche Aura verleihe. Man spüre diese Aura erst richtig, wenn man nicht mehr dort lebe, nach längerer Abwesenheit wieder zurückkomme und dann einige einst vertraute Cafés vermisse, versuchte Walser ihren mit Heimweh gesättigten Blick auf die Industrie- und Hafenstadt in der Kurpfalz zu erklären.

Judotraining in Mannheim

Thomas Meinecke ist in einem kleinen Ort zwischen Mannheim und Heidelberg aufgewachsen, bevor er mit seiner Familie nach Hamburg zog. In seinem Essay „Wo ich meine Kindheit verbrachte“ beschreibt er dieses „Kaff“ als labile Mitte zwischen „dem Rauen und dem Lieblichen“. Mannheim, wohin ihn seine Eltern zum Judotraining schickten, sei ihm vorgekommen wie die gefährlichsten Stadtteile von New York, in Heidelberg dagegen, wo er zur Schule ging und in der Kirche die Erstkommunion empfing, habe er das untergründig Anarchische in den gutbürgerlichen Ritualen entdeckt.

Yoko Tawada kennt Baden-Württemberg durch ihre Bahnfahrten von Hamburg in den Süden, den „Unterleib des Landes“, wo im Tübinger Vorort Hagelloch der Konkursbuchverlag ihrer Verlegerin Claudia Gehrke ansässig ist. Der Japanerin fällt auf, dass man „Im Südwesten“ – so der Titel ihres Reiseberichts – „konservativ, aber bio, spießig, aber atomfrei“ ist, und viele Orte auf -ingen enden, was im Japanischen so viel wie „Brechbohnen“ bedeutet.