Die AfD freut sich schon auf die Rolle als Oppositionsführerin, stellt sie doch in wichtigen Bundestagsausschüssen den Vorsitzenden: Der eine rettet Gold, der andere beleidigt gern, gegen den dritten wird ermittelt – nicht alle sind mit den Nominierten einverstanden.

Berlin - Das Foto, das Stephan Brandner am 9. Dezember bei twitter veröffentlicht, zeigt ein fast leeres Bierglas – und einen Krummdolch. Der frisch gewählte Bundestagsabgeordnete der AfD dokumentiert gern seinen Alkoholkonsum im Internet. Diesmal aber soll der Humpen die Größe der Stichwaffe verdeutlichen – ein mächtiges Ding.

 

Auch für wen sie gedacht ist, deutet der Politiker an: „Warten...auf die Antifa oder der/die/das Zentrum für politische Schönheit. ( ..) Vielleicht können die `nen Tipp geben, wie ich das Gerät „künstlerisch“ gebrauchen kann.“ Die Künstlergruppe hatte zu diesem Zeitpunkt gerade für Aufsehen gesorgt, weil sie am Wohnort des Partei-Rechtsaußen Björn Höcke ein Imitat des Holocaust-Mahnmals errichtet hatte. Brandner ist ein Getreuer Höckes. Die Aktion der Kunstguerilleros war hochumstritten. Wie immer nutzten sie einen Tabubruch an der Nahtstelle zwischen Politik und Kunst um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Aber ein Bundestagsabgeordneter, der deshalb indirekt zu Gewalt aufruft? Natürlich tut Brandner das aus juristischer Sicht nicht. Schließlich kennt auch er sich mit dem Unterschied zwischen Tabubruch und Rechtsverstoß hervorragend aus. Brandner ist Anwalt. Und wenn alles nach dem Plan seiner Fraktion läuft, dann wird er kommende Woche zum Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages gewählt.

Es ist nicht der einzige Ausschuss des Parlaments, dem die AfD künftig vorstehen wird. Kommt es zur großen Koalition, hat die dann größte Oppositionspartei unter Führung von Alice Weidel und Alexander Gauland traditionell das Zugriffsrecht auf den Haushaltsausschuss als wichtigstes Gremium, zwei weitere Vorsitze stehen ihr zu. Die Verteilung der übrigen Ausschüsse richtet sich normalerweise nach dem Ressortzuschnitt der Ministerien – aber diesmal ist eben alles anders: das Land hat vier Monate nach der Wahl immer noch keine Regierungskoalition, das Parlament konstituiert nun die Ausschüsse um arbeitsfähig zu sein, und gleichzeitig versuchen die etablierten Parteien einen Umgang mit der Tatsache zu finden, dass erstmals seit Jahrzehnten Rechtspopulisten in den Bundestag gewählt wurden und nun auch gleich die Opposition führen.

Der Bundestag als Bühne

Von Beginn der Legislaturperiode an ist der Bundestag auch zur Bühne für bisher so nicht geführte parlamentarische Auseinandersetzungen geworden. So hatte der alte Bundestag noch in seiner letzten Sitzung im Frühsommer die Alterpräsidentenregelung zur ersten Sitzung geändert um eine Eröffnungsrede eines AfD-Mannes zu verhindern. Den zweiten Schlagabtausch lieferten sich die Parlamentarier bei der Wahl des Vizepräsidentenkandidaten der AfD, Albrecht Glaser, der nach drei Wahlgängen nun gescheitert ist. Hier aber begründeten die Gegner das mit dessen politischer Position, nicht mit einer generellen Ablehnung eines Postens für die AfD. Die Neuen im Parlament wiederum versuchen, die Geschäftsordnung zu nutzen. Das jüngste Beispiel ist ein erzwungener Hammelsprung um bei einer spätabendlichen Sitzung zu zeigen, das zu wenige Abgeordnete da waren um etwas zu beschließen. Damit sicherte sich die AfD Erwähnung in den Medien – was sie nicht sagte: auch ihre eigenen Reihen waren gelichtet. Mit demonstrativem Verhalten versucht die Fraktion ebenfalls von sich reden zu machen. So blieben die Abgeordneten Anfang dieser Woche bei der Rede des französischen Parlamentspräsidenten zum Elysee-Vertrag demonstrativ sitzen als alle anderen sich zum Applaus erhoben. An einer Reise Abgeordneter nach Paris am Nachmittag in die Nationalversammlung nahm die Fraktion nicht teil.

Was nun die Frage der Ausschussverteilung angeht, ist für alle klar, die AfD genau wie Oppositionsführer vor ihr behandelt wird. Auch wenn das Recht auf den Vorsitz im Haushaltsausschuss nicht festgeschrieben ist, so spiegelt die Vergabe die Aufgabe der Opposition wider, die Regierung zu kontrollieren. Ein Ausschussvorsitzender hat Gestaltungsmöglichkeiten, er kann die Tagesordnung und die Art, wie die Sitzung geführt wird, beeinflussen, er ist Ansprechpartner für die Medien. Andererseits sollte man die Rolle auch nicht überschätzen.

Das könnte noch Ärger geben

Und in trockenen Tüchern ist auch nicht alles – eingesetzt werden die Gremien erst in der kommenden Woche. Es gibt schon jetzt Hinweise darauf, dass andere Fraktionen Widerstand leisten könnten. Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch, die den Haushaltsausschuss zuletzt leitete, meldete sich Lötzsch am Mittwoch zu Wort und erklärte, sie lehne den AfD-Kandidaten Peter Boehringer für den Vorsitz ab. Er gehöre zum rechten Rand der Partei, sagte Lötzsch unserer Zeitung. Es gebe Zitate, in denen er von „Umvolkung“ spreche und er habe in der Vergangenheit mit Höcke zusammengearbeitet. Die Geschäftsordnung lässt offen, wie genau der Vorsitzende eines Ausschusses „bestimmt“ wird. Lötzsch sagte, sie sei durch offene Abstimmung gewählt worden, mitunter wird auch einfach Zustimmung vorausgesetzt und gefragt, ob jemand Bedenken habe. Wie sich die Fraktionen in der kommenden Woche verhalten, ist derzeit noch völlig offen.

Der 48-jährige gebürtige Göppinger Boehringer zog über die bayerische Landesliste ein. Er ist Finanzfachmann, Mitglied der konservativen Hayek-Gesellschaft und einer, der sich der Bürgerinitiative „Holt unser Gold heim“ verschrieben hat, welche die deutschen Goldreserven zurückführen will. In der Fraktion nennen ihn deshalb angeblich einige scherzhaft „Goldjunge“. Das Vertrauen in Gold als letzte Rettung ist eine in rechten Kreisen verbreitete Gedankenfigur und spiegelt auch das Misstrauen in den Euro, die verantwortlichen Politiker, in die EU-Institutionen wider. Boehringer will den „EU-Nannystaat“ verschwinden sehen, fürchtet eine Weltregierung und vergleicht die gegenwärtige Lage Deutschlands mit der Beschreibung der „Schönen Neuen Welt“ von Aldous Huxley. Zur Perspektive des Ausschussvorsitzes sagte er: „Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe.“

Vorliebe für Sexmetaphern

Anders als Boehringer fällt der Thüringer Stephan Brandner vor allem durch unsachliche Aussagen auf, die wohl provozieren sollen. Als Abgeordneter im Landtag erarbeitete er sich auf diese Weise 32 Ordnungsrufe binnen drei Jahren. Zu seinem Jargon gehört, dass er die Grünen als „Koksnasen“ bezeichnet. Eine besondere Vorliebe scheint Brandner für Metaphern aus dem Bereich der Sexualität zu hegen. Den Bundesjustizminister Heiko Maas bezeichnete als Ergebnis von Inzucht, Demonstranten nannte er ein Resultat von Sodomie. Als er seine Nominierung für den Ausschuss verkündete, lag es ihm am Herzen zu betonen. dass er professionell agieren, aber nicht zum „politischen Eunuchen“ werden wolle.

Sebastian Münzenmaier, der künftig den Tourismusausschuss führen soll, ist vor einigen Monaten wegen Beteiligung an einem Überfall in der Hooliganszene des FC Kaiserslautern verurteilt worden. Das Gericht verhängte wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung sechs Monate Haft, die zur Bewährung ausgesetzt wurden sowie 10 000 Euro Geldstrafe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Münzenmaier in Berufung gingen. Politisch hat er eine Vergangenheit am rechten Rand, als Mitglied der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“, 2013 trat er in die AfD ein. Nicht seine Parteimitgliedschaft, sondern das Strafverfahren ist der Grund für die Fußballmannschaft des Bundestages, ihm die Aufnahme ins Team zu verweigern.