Wohin steuert die AfD? In vier von fünf Ost-Ländern ist die AfD nun zweitstärkste Kraft. Das wird den Kurs der Partei künftig mitbestimmen.

Berlin - Nach den Wahlen ist die AfD in vier von fünf Ostländern zweitstärkste Kraft. Für viele Wähler ist sie keine reine Protestpartei mehr. Die nächsten Monate werden über den Kurs der Partei entscheiden. Ein Überblick. Wie hat sich die Wählerschaft der AfD bei diesen Wahlen verändert? Wie schon bei vorangegangenen Wahlen, konnte die AfD mehr als alle anderen Nichtwähler mobilisieren. Die These, dass eine höhere Wahlbeteiligung die Partei eher schwächt, stimmt also nicht. In Sachsen, wo die Partei ihr Ergebnis verdreifachen konnte, gewann die AfD 246 000 Nichtwähler hinzu – mehr, als sie vor fünf Jahren insgesamt an Wählern hatte. Dasselbe Bild in Brandenburg: Mehr als 100 000 Nichtwähler wurden mobilisiert.

 

Auch die bisherige Erfahrung, wonach die AfD bei Jüngeren eher schwächer abschneidet, hat sich nicht wiederholt. Die Partei, die bisher am stärksten von alten männlichen Wählern gewählt wurde, breche nun massiv in jüngere Alterskohorten ein, sagte der Politologe Michael Lühmann dem ZDF. Er schließt daraus, dass in Brandenburg ein knappes Viertel der Wähler bewusst einen Rechtsextremisten gewählt habe. Dazu passt eine Frage von Infratest dimap: Demnach finden nur 37 Prozent der AfD-Wähler, dass die Partei sich nicht klar genug von rechtsextremistischen Positionen distanziere – im Vergleich zu 77 Prozent der Gesamtwählerschaft. Vor allem in Sachsen ist die AfD keine reine Protestpartei mehr, wie die Forschungsgruppe Wahlen analysiert. Um einen „Denkzettel“ ging es 28 Prozent der AfD-Wähler, 70 Prozent um Inhalte. Wie geht es weiter beim innerparteilichen Machtkampf? Parteichef Jörg Meuthen rechnet nach eigenem Bekunden nicht damit, dass die Ostverbände nach ihren Wahlerfolgen mehr Macht beanspruchen. Bis zur Wahl in Thüringen am 27. Oktober dürfte auf Bundesebene noch Ruhe herrschen. Beim Parteitag stehen die Vorstandswahlen an, bei denen der künftige Kurs der Partei mitbestimmt wird. Höcke hatte bereits vor Wochen angekündigt, er werde dafür sorgen, dass der kommende Vorstand anders aussehe. Dass die Parteispitze eine weitere Radikalisierung fürchtet, die im Westen schaden würde, kann man an Äußerungen zum Beispiel von AfD-Chef Alexander Gauland ablesen. Noch am Wahlabend bat er seine Parteifreunde, sich „im Siegesrausch“ vernünftig zu benehmen – wie eine „bürgerliche Opposition“. Auffallend oft benutzen Gauland und Meuthen derzeit das Attribut „bürgerlich“ im Versuch, es für ihre Partei gebräuchlich zu machen. Wie der Flügel auch im Westen um Einfluss ringt, kann man an Machtkämpfen in mehreren Verbänden ablesen. Welche Rolle spielt dabei künftig der Brandenburger Andreas Kalbitz? Er ist einer der beiden innerparteilichen Gewinner des Wahlsonntags: Der 47-jährige Landeschef ist eine Führungsfigur in der Partei. Kalbitz steht mit Björn Höcke an der Spitze der national-sozialen Parteigruppierung Flügel. Mit dieser Begründung hat Kalbitz mehrfach betont, dass er bei den Vorstandswahlen Ende November nicht für den Parteivorsitz kandidiere. „Ich glaube, dass ich nicht das nötige integrative Signal aussende“, sagte er auch am Montag. Für die Position des Vorsitzenden empfehle sich eher jemand, der nicht ein Lager repräsentiere. Als möglicher Kandidat für den vermutlich scheidenden Gauland wird der sächsische Abgeordnete Tino Chrupalla gehandelt, der offiziell nicht zum Flügel gehört.

Da der Verfassungsschutz die Gruppe als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus führt, wird auch Kalbitz als Person vermutlich beobachtet. Auch wegen verschiedener Verbindungen zu rechtsextremistischen Gruppen ist der AfD-Mann den Behörden kein Unbekannter. So enthüllte der „Spiegel“ kürzlich, dass das Bundeskriminalamt ihn als einen von „14 deutschen Neonazis“ beobachtete, der 2007 an einem rechten Aufmarsch in Athen teilnahm. Der Politiker gestand die Teilnahme ein. Das gilt auch für seine Anwesenheit bei Ferienlagern der inzwischen verbotenen Heimattreuen deutschen Jugend. Auf Fragen von Journalisten, wann und warum er sich von diesen Bezügen gelöst habe, antwortete er nicht. Er habe in zwölf Jahren als Berufssoldat mehr für die Demokratie geleistet als andere. Der aus München stammende Medienkaufmann war Geschäftsführer eines Kleinverlags und dann selbstständiger IT-Berater. Kalbitz war Mitglied der CSU sowie der Republikaner. Sollte die AfD scheitern, kündigte er an: „Danach kommt nur noch: Helm auf.“