Müller in der 12. Generation Warum die Altdorfer Mühle Erfolg hat

Manche hochmoderne Maschinen, aber auch einige von 1954 tun ihren Dienst in der Altdorfer Mühle. Foto: /Stefanie Schlecht

Die Brüder Karl und Jörg Ruthardt leiten die Altdorfer Mühle, einen der ältesten Betriebe im Kreis. Sie erzählen, wie komplex ihre Arbeit als Müller ist und wo sie ihre Nische gefunden haben.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Es klappert keine Mühle am rauschenden Bach, vielmehr wummern laute Maschinen in der Altdorfer Mühle. Der uralte Beruf des Müllers ist längst ein technisierter geworden, von Mühlradromantik ist außer der idyllischen Lage am Ortsrand von Altdorf wenig übrig geblieben. Es gibt Verladeplätze für Lastwagen, moderne Lagerhallen und automatische Förderbänder, die das Korn zu den Walzen bringen. Überall liegt Mehlstaub auf den Maschinen und benetzt auch auf die Kleider und in den Bärte einiger Mitarbeiter.

 

Alles dreht sich hier ums Mehl. Das war auch vor mehr als 500 Jahren schon so, als die Altdorfer Mühle ihre Anfänge nahm. 1487 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt, als die Mönche des Klosters Bebenhausen sie aufkauften. Heute leiten die Brüder Karl und Jörg Ruthardt die Geschäfte. „Wir sind die 12. Generation Müller in unserer Familie“, sagt Karl Ruthardt. Allerdings erst die dritte Generation am Standort Altdorf – ihr Großvater erwarb die an der Würm gelegene Mühle 1935, zuvor hatte die Familie im Raum Ulm Mehl gemahlen.

Bald übernimmt die 13. Generation die Altdorfer Mühle

„Wir sind hier reingeboren worden“, sagt Karl Ruthardt. Er und sein Bruder wuchsen auf dem Mühlengelände auf, beide lernten den Beruf des Müllers und mussten früh Verantwortung übernehmen, als ihr Vater 1982 verstarb. Und die Familientradition wird nicht abreißen: Die 13. Generation ist bereits im Betrieb tätig oder steigt bald ein.

Jörg und Karl Ruthardt (von links) Foto: sts/Stefanie Schlecht

Dass es die Altdorfer Mühle noch gibt, ist nicht selbstverständlich. „Von Mitte der 1960er bis Ende der 1970er gab es ein großes Mühlensterben“, sagt Karl Ruthardt. Sein Bruder zählt die Mühlen auf, die es damals in der Umgebung gegeben hat, und die Finger seiner Hände reichen dafür nicht. Heute kommt er noch auf vier produzierende Mühlen im Kreis Böblingen – die älteste ist jene in Gültstein bei Herrenberg–, und er weiß von etwa 125 in Baden-Württemberg.

Die Ruthardts haben eine Nische gefunden. „Wir waren eine der ersten oder vielleicht sogar die erste Mühle im Naturkostbereich“, sagt Karl Ruthardt. Als in den 1980er Jahren der Trend aufkam, sich gesünder zu ernähren, selbst zu backen, Vollkornprodukte zu konsumieren und Saaten zu verarbeiten, habe die Altdorfer Mühle diese Nachfrage bedient. „Müllerkollegen und der Einzelhandel wollten das haben. Wir sind so auch etwas in den Großhandel gekommen.“

Dass die Arbeit der Müller kaum erwähnt wird, wenn die deutsche Brotbackkultur gepriesen wird, nehmen die Ruthardt-Brüder mit einem Schulterzucken hin. Sie wissen, dass eine gute Mehlqualität entscheidend ist für gute Backwaren, genauso wie das Wissen darüber, welches Mehl sich wofür eignet. „Für einen Keks brauche ich ganz anderen Weizen wie für ein Toastbrot, eine Pizza oder einen Mürbteig“, sagt Karl Ruthardt.

Die Arbeit der Müller ist sehr komplex

Jörg Ruthardt zeigt bei einem Rundgang durch die Mühle, wie komplex die Arbeit ist. Wenn die Bauern ihre Körner nach der Ernte in die Mühle bringen – der Großteil stammt aus einem Radius von 25 Kilometern –, wird zuerst deren Qualität bestimmt. Enzymaktivität, Proteinmenge, Protein- und Stärkequalität werden gemessen. Etwa 3500 Tonnen Getreide werden in der Altdorfer Mühle pro Jahr auf diese Weise erfasst, etwa 1500 Tonnen werden vor Ort im Jahr verarbeitet.

Vor dem eigentlichen Mahlvorgang sind ein Dutzend Reinigungsschritte nötig, bis die Rohware vom Acker zwischen die Walzen kommt. Steine, Unkraut, Spreu, all das wird aussortiert. Erst dann wird geschrotet, und zwar 14 Mal. Ruthard spricht von 14 Passagen, bei denen nach und nach das Mehl abgesiebt wird. Ändert er bei dem Prozess eine Kleinigkeit, ändert sich das Endprodukt komplett. Acht Tonnen Getreide schaffen die Walzen der Altdorfer Mühle pro Tag.

Verkauft wird das Mehl im Mühlenladen, geht an Bäckereien, Pizzerien und Dönerläden sowie zu regionalen Supermärkten. Mit Nischenprodukten wie Buchweizen, Einkorn- oder Emmervollkorn werden andere Mühlenläden beliefert. Aber auch das Abfüllen von Saaten, Nüssen oder Trockenfrüchten ist ein Standbein geworden. „Mahlen und mischen sind die Grundarbeiten des Müllers“, sagt Jörg Ruthardt. Ihn fasziniert die Vielseitigkeit seines Berufs. Müller müssten etwas von Einkauf und Verkauf verstehen, sich mit Enzymverhalten, Klebereigenschaften und Backprozessen auskennen und gleichzeitig die Maschinen beherrschen. „Profan gesagt: Wir machen aus Dreck ein hochwertiges Lebensmittel.“

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Handwerk Kreis Böblingen Altdorf