Matthias Erzberger wird zu einem Märtyrer des demokratischen Neuanfangs. Ungeachtet seiner Verdienste war er als Vaterlandsverräter verfemt und gehasst. Warum ist er bis heute ein Stiefkind der Erinnerungskultur geblieben?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Bad Griesbach - Die Mörder hatten ihr Opfer wochenlang ausspioniert. Am 26. August 1921 schreiten sie zur Tat. Matthias Erzberger, Reichsfinanzminister im einstweiligen Ruhestand, weilt mit seiner Familie im Schwarzwald zur Sommerfrische. An jenem Morgen wandert er mit dem Reichstagsabgeordneten Carl Diez, einem engen Vertrauten, auf der Straße von Bad Griesbach hinauf Richtung Kniebis. Gegen elf Uhr werden die beiden Zentrumspolitiker im Nieselregen von zwei jungen Männern überholt. Sie denken sich nichts dabei, wenige Minuten später kommen die Fremden jedoch zurück. Sie zücken Revolver und schießen Erzberger aus nächster Nähe in Brust und Stirn. Ihr Opfer stürzt einen Abhang hinunter und versucht, hinter einer Tanne Schutz zu finden. Die Mörder steigen ihm hinterher und feuern weitere drei Kugeln ab. Dabei ist der Mann längst tödlich getroffen. Diez will die Angreifer mit seinem Schirm abwehren, wird aber ebenfalls verletzt. Erzberger verblutet an Ort und Stelle.