Donald Trumps Kurs in der Außenpolitik ist völlig unberechenbar, meint unser USA-Korrespondent Karl Doemens. Der US-Präsident folge keiner Strategie.

Washington - Sean Spicer, der Sprecher des Weißen Hauses, ist in diesen Tagen wirklich nicht zu beneiden. Am vorigen Donnerstag ließ die amerikanische Regierung  59 Raketen auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt abfeuern. Doch bis heute hat Präsident Donald Trump mit keinem Wort erläutert, welches Ziel er mit dem plötzlichen Militärschlag verfolgt. Während sich Trump ansonsten bei Twitter zu allem und jedem auslässt, hat er im Falle Syriens alleine den tapferen amerikanischen Truppen gedankt. Also muss Spicer viele Fragen beantworten. „Können Sie uns die außenpolitische Strategie von Trump erklären?“, fragt ein Korrespondent. „Ja“, stammelt Spicer, „die Trump-Doktrin hat er während des Wahlkampfes sehr klar gemacht. Sie heißt, dass Amerika an erster Stelle steht.“ Ob denn das zu dem Syrien-Einsatz passe, hakt der Journalist nach. „Unbedingt“, antwortet der Sprecher wacker.

 

Kakophonie über die Kriterien für Krieg und Frieden

Die Szene ist bezeichnend. Fast eine Woche nach der radikalen Abkehr des amerikanischen Präsidenten von seiner anti-interventionistischen Linie herrscht völlige Ungewissheit über den künftigen außenpolitischen Kurs der Weltmacht. Trumps Schweigen hat ein Vakuum geschaffen, das sein Sprecher mit Wortgirlanden zu überdecken sucht und andere Mitglieder der Regierung zu widersprüchlichen Äußerungen verleitet. Mal ist das oberste amerikanische Ziel die Beseitigung des syrischen Diktators Baschar al-Assad, mal die Bekämpfung der Terrororganisation IS. Mal wollen die USA nur dann einschreiten, wenn chemische Waffen eingesetzt werden, ein anderes Mal immer dann, wenn unschuldige Zivilisten getötet werden. Die Kakophonie über die Kriterien für Krieg und Frieden ist beunruhigend.

Auch die Motive der amerikanischen Mittelost-Politik liegen völlig im Dunkeln. So behauptet Außenminister Rex Tillerson: „Unser erstes Ziel ist es, den IS zu bekämpfen.“ Man fordere von Assad eine Beendigung des Chemiegas-Einsatzes, jenseits davon gebe es „keine Änderung unserer militärischen Haltung.“ Gleichzeitig sagt die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley: „Niemand von uns kann sich eine politische Lösung in Syrien mit Assad an der Spitze vorstellen.“ Der Sturz Assads wäre also eine Bedingung für die Beendigung des syrischen Bürgerkriegs.

Trump folgt taktischen Erwägungen und Emotionen

Für die dramatische Orientierungslosigkeit der Weltmacht gibt es zwei Erklärungen. Beide sind gleichermaßen alarmierend. Die eine lautet: Das Trump-Lager hat sich im Wahlkampf nicht mit Außenpolitik beschäftigt, und in der Regierung fehlen ihm die Köpfe, um eine konsistente Strategie zu entwickeln. Mehr als 553 hochrangige Positionen müssen nach dem Regierungswechsel neu besetzt werden. Nach einer Statistik der Washington Post sind derzeit aber nur 22 neue Beamte bestätigt. Vor allem im Außenministerium gibt es unzählige Vakanzen, die Trump teilweise gar nicht neu besetzen will. Die zweite, ideologische Erklärung heißt: Trump will gar keine außenpolitische Strategie. Der Präsident folgt alleine taktischen Erwägungen und Emotionen. Weder den UN-Sicherheitsrat noch den Kongress hatte er vor dem Militärschlag in Syrien informiert.

Am Dienstag nun wandte er sich dem nächsten Thema zu: Nordkorea. Das kommunistische Land provoziere mit seinen Raketentests Ärger, twitterte er. Falls China bei der Eingrenzung helfe, werde er dem Riesenreich bessere Handelskonditionen bieten. „Falls nicht, lösen die USA das Problem alleine.“ Damit stürmt Trump kopflos in den nächsten Großkonflikt. „Es gibt keine außenpolitische Doktrin im klassischen Sinn“, urteilt Kathleen Hicks vom Center for Strategic and International Studies: „Aber es gibt klare Charakteristiken dieser Politik. Sie ist unvorhersehbar, instinktgetrieben und undiszipliniert.“  Eine ziemlich präzise Beschreibung – und eine düstere Aussicht für den Rest der Welt.