Die Angst vor ChatGPT Wie schlau ist Künstliche Intelligenz?

ChatGPT lässt sich sogar dazu bringen, Texte für den sogenannten Enkeltrick zu schreiben. Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

ChatGPT ist erst der Anfang. Was können KI-Systeme – und was machen sie mit uns Menschen? Einige Ängste sind unbegründet, meint Wissenschaftsredakteur Werner Ludwig.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Praktisch jeder, der ChatGPT zum ersten Mal ausprobiert, zeigt sich beeindruckt von den Fähigkeiten des Schreibroboters. Zu allen erdenklichen Themen äußerst sich die Software des US-Unternehmens Open AI eloquent und grammatikalisch einwandfrei – ob es nun um die Vor- und Nachteile von Elektroautos, den Nutzen von Coronamasken oder die gesellschaftlichen Risiken der Künstlichen Intelligenz (KI) geht, die hinter solchen Computeranwendungen steht. Und ChatGPT ist erst der Anfang. Google hat ein ähnliches System angekündigt. Zudem beschäftigen sich etliche kleinere Unternehmen mit Sprachsoftware auf der Basis von KI.

 

Neue Möglichkeiten – neue Ängste

Und wie schon bei früheren grundlegenden Innovationen im Bereich der Kommunikation befürchten manche, dass mit der Verbreitung von ChatGPT & Co. der Untergang des Abendlands bevorsteht – zumindest in kultureller Hinsicht. Bereits als der Buchdruck aufkam, wurde argumentiert, dass er die Tradition der mündlichen Überlieferung zerstöre. Ähnliche Befürchtungen kamen im Zusammenhang mit den ersten Fernsehgeräten oder dem Siegeszug des Internets auf. Bis jetzt haben sich diese Ängste zum Glück nicht bewahrheitet. Auch im Zeitalter nahezu grenzenloser digitaler Kommunikationsmöglichkeiten reden Menschen noch direkt miteinander und lesen Bücher – auch wenn es sich nun öfter um E-Books handelt.

Das heißt nicht, dass moderne technische Hilfsmittel keinen Einfluss auf unsere eigenen Fähigkeiten hätten. Der Taschenrechner hat dazu geführt, das kaum noch jemand Kopfrechnen kann. Navigationssysteme machen das Lesen von Karten und die Orientierung im Gelände nach und nach zur Geheimwissenschaft. Die Vermutung liegt daher nahe, dass sich KI-Schreibroboter nicht unbedingt positiv auf das schriftliche Ausdrucksvermögen auswirken werden. Und trotzdem wäre es falsch, den Einsatz solcher Systeme im Bildungswesen kategorisch auszuschließen, wie es etwa eine New Yorker Schule getan hat. Es handelt sich um Werkzeuge, mit denen Schüler und Studenten auch im Beruf zu tun haben werden. Überall, wo vergleichsweise schematisch aufgebaute Texte benötigt werden, könnten Programme wie ChatGPT Beschäftigte von Routine entlasten und Freiraum für Kreativität schaffen.

Gigantische Textbibliothek

Man sollte die Fähigkeiten KI-basierter Systeme aber auch nicht überschätzen. Das zeigt sich etwa beim autonomen Fahren, das längst nicht so schnell vorankommt, wie die Industrie anfangs versprochen hatte. Auch ChatGPT macht Fehler und behauptet teilweise Unsinn. Es stellt sich die Frage, ob das Programm so intelligent ist, wie es uns erscheint. Denn der Chatbot „versteht“ nicht, was er da im Brustton der Überzeugung vorträgt. Er berechnet lediglich, welches Wort mit der größten Wahrscheinlichkeit auf das vorhergehende folgt – und das auf Basis einer gigantischen Textbibliothek, die als Trainingsmaterial eingesetzt wurde.

Die Systeme werden besser werden, aber in vielen Bereichen wird ein Mensch nötig sein, der die Ergebnisse kritisch prüft. Das gilt auch für andere KI-Anwendungen – etwa in der Medizin, wo solche Programme bei Diagnosen helfen. Allerdings sollte man dabei besser nicht von Künstlicher Intelligenz sprechen, sondern von maschinellem Lernen. KI-Systeme gleichen Autisten mit extremen Inselbegabungen, die außerhalb ihres Spezialgebiets nicht viel ausrichten können. Ihnen fehlt das, was man in der Psychologie Allgemeine Intelligenz nennt: die Fähigkeit, Probleme zu lösen, mit denen man zuvor noch nie zu tun hatte. Wenn es darum geht, ist der älteste Supercomputer der Welt immer noch besser als jede KI: unser Gehirn.

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