Der Weg für neue, preisgünstige Angebote im öffentlichen Fernverkehr auf der Straße ist frei. Nach langem Hin und Her hat der Bundesrat dem geänderten Gesetz zur Personenbeförderung zugestimmt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Erstmals dürfen Fernbusse der Deutschen Bahn vom kommenden Jahr an bundesweit direkte Konkurrenz machen. Kritiker befürchten Wettbewerbsnachteile für die Schiene und eine weitere Ausdünnung des Netzes. „Der Fernbus kann zur echten Alternative zum Pkw, zur Bahn und zum Flugzeug werden“, erklärte Verkehrsminister Peter Ramsauer in Berlin. Die Bundesregierung erwartet neue Angebote und Geschäftsideen von der Busbranche. Zum Schutz des öffentlichen Nahverkehrs dürfen Fernbusse auch künftig keine Personen zwischen Haltestellen befördern, die weniger als 50 Kilometer auseinander liegen oder zwischen denen Züge mit bis zu einer Stunde Reisezeit verkehren. Ausnahmen sind möglich.

 

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG kritisiert die Liberalisierung als „Eigentor für Beschäftigung, Wettbewerb und Verkehr“. Es drohe weiteres Lohn- und Sozialdumping in der Busbranche, weil klare Arbeits- und Sozialbedingungen fehlten und dazu erst bis 2017 ein Bericht erstellt werden solle, erklärte EVG-Chef Alexander Kirchner. Zudem zahlten Busse anders als die Bahn keine Streckengebühr, was den Wettbewerb verzerre. Durch die Konkurrenz der Billigbusse drohe überdies die Ausdünnung des Bahnnetzes besonders auf dem Land. Der Verkehrsexperte der Grünen, Anton Hofreiter, begrüßt dagegen die Marktöffnung. „Aus ökologischer Sicht spricht viel für die Fernbusse“, betont der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag. Bei den CO2-Emissionen seien Busse das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Wichtig sei auch, dass bis 2019 sämtliche Fernbusse für Behinderte barrierefrei nutzbar sein müssen. Hier ein Überblick zu den wichtigsten Punkten: Warum fahren bis jetzt nur wenige Fernbusse in Deutschland? Im öffentlichen Nahverkehr gibt es ein dichtes Busnetz. Im innerdeutschen Fernverkehr dagegen existieren nur wenige Buslinien. In Deutschland ist deren Zulassung bis jetzt streng reguliert, um den staatlich finanzierten Schienenverkehr zu schützen. Im Genehmigungsverfahren konnte die Deutsche Bahn per Veto verhindern, dass Fernbusse ihren ICE- und IC-Zügen auf gleichen Strecken Konkurrenz machen. Was wird sich ändern? Der Schutzzaun für die Schiene im Fernverkehr verhindert Wettbewerb und damit niedrigere Fahrpreise. Zwar gibt es bereits Fernbuslinien, vor allem auf den nach Berlin führenden früheren DDR-Transitstrecken. Doch den größten Teil dieses Marktes beherrscht ebenfalls die Deutsche Bahn, die Deutschlands und Europas größter Busbetreiber ist. Da die Bahn auf langen Schienenverbindungen (ICE, IC) fast keine Konkurrenz hat, besitzt der Staatskonzern ein Doppelmonopol im öffentlichen Fernverkehr. Das wird nun abgeschafft.

Warum dauerte der Streit so lange? Union und FDP vereinbarten schon im Koalitionsvertrag vor drei Jahren, Busfernlinien zuzulassen und dazu §13 des Personenbeförderungsgesetzes zu ändern. Dort ist die Vergabe von Buslizenzen im Nah- und Fernverkehr geregelt. Der Gesetzentwurf von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) stieß aber im Bundestag und Bundesrat lange auf heftigen Widerstand. Erst eine Einigung der Verkehrsexperten und Fraktionen von Union, SPD, FDP und Grünen im Parlament brachte nach der Sommerpause den Durchbruch.

Welche Streitpunkte gab es? Die Union verhinderte eine Maut für Fernbusse auf Autobahnen, die vor allem die Grünen forderten. Die FDP verlangte die weitreichendste Liberalisierung. Die SPD bremste, weil sie bei verschärftem Wettbewerb mehr Lohn- und Sozialdumping befürchtet und die Bahngewerkschaft EVG die Buskonkurrenz ablehnt. Die Bundesländer wiederum fürchteten Konkurrenz für ihren Nahverkehr, den sie mit viel Steuergeld finanzieren. Sie setzten durch, dass zwischen Haltestellen von Fernbussen mindestens 50 Kilometer liegen müssen. Außerdem dürfen Bahnhöfe nicht angefahren werden, zwischen denen Züge mit Reisezeiten bis zu einer Stunde verkehren. Wann gibt es billige Busfahrkarten ? Wie es in der Branche heißt, warten bis zu 50 Anbieter auf den Startschuss am 1. Januar. Da aber jede neue Strecke von den Behörden genehmigt werden muss, erwarten Experten, dass der Wettbewerb im Frühjahr richtig beginnt. Busunternehmen, die bereits grenzüberschreitend fahren, haben einen Startvorteil, da nun auf bestehenden Verbindungen auch an deutschen Haltestellen Passagiere ein- und aussteigen dürfen. Auch das war bisher verboten. Was werden die Tickets kosten? Experten erwarten, dass die Buspreise im Schnitt ein Drittel unter den Bahnpreisen liegen könnten. Dafür dauert die Fahrt meist länger, Verspätungen sind wegen Staus häufiger. In Ländern wie Großbritannien und Schweden sind die Fahrpreise nach der Liberalisierung teils stark gesunken. Anbieter werben mit Tiefstpreisen von ein paar Euro pro Fahrt, Billigtickets gibt es aber nur wenige. Die Preise sind gestaffelt. Wer früh bucht, zahlt weniger. Auf den bisherigen innerdeutschen Busstrecken, zum Beispiel Verbindungen von und nach Berlin oder nachts von Hamburg über Hannover nach Mannheim, gibt es Tickets schon ab neun Euro pro Fahrt.

Welche Vorteile könnte die Liberalisierung bringen? Die Befürworter hoffen vor allem auf neue und preisgünstige Angebote im öffentlichen Fernverkehr. Reisende sollen mehr Auswahl und preisgünstige Alternativen zum Auto und zur oft teuren Zugfahrt bekommen. Das gilt besonders für Regionen, die schlecht an den Fernverkehr der Bahn angebunden sind. Hier könnten direkte Fernbusverbindungen spürbare Verbesserungen bringen, da der Schienenriese in den letzten Jahren in vielen Städten die IC-Fahrpläne ausgedünnt hat.

Bedrohen Fernbusse den Bahnverkehr? Kritiker befürchten, dass Busanbieter der Bahn mit Tiefpreisen Kunden abjagen. Internationale Verkehrskonzerne könnten sich auf Rennstrecken wie Stuttgart–München, FrankfurtKöln oder Berlin–Hamburg konzentrieren, regionale Busfirmen der Bahn auf wenig ausgelasteten und rentablen IC-Verbindungen in der Fläche zu schaffen machen. Das könnte die Ausdünnung des ICE- und IC-Netzes der Bahn beschleunigen, zumal der Konzern alternativ seinen Busverkehr ausbauen könnte. In den USA läuteten die Greyhound-Fernbusse einst den Niedergang des Personenschienenverkehrs ein. Im Südwesten bietet das Berliner Unternehmen Mein Fernbus.de die Busstrecke Freiburg–Friedrichshafen und weiter nach München an. Die ganze Fahrt kostet knapp 40 Euro und ist halb so teuer wie der reguläre Bahntarif. Das Fahrrad geht für neun Euro mit.

Was ist umweltfreundlicher? Ein ICE 1 kann so viele Fahrgäste transportieren wie 14 große Busse mit je 50 Sitzplätzen – und das im Stundentakt. Entscheidend für die Umweltbelastung jedoch sind die Auslastung und der Energieverbrauch pro Kopf. Hier liegen laut Umweltbundesamt Fernbusse wegen doppelt so hoher Auslastung vorne. Allerdings belasten mehr Busse die staugeplagten Autobahnen. Zudem verschlechtert der nötige Bau neuer Busbahnhöfe die Umweltbilanz.