Im Remstal sucht man vergebens nach Regional-Brauereien, eine Ausnahme war Löwenbräu in Schorndorf. In der heutigen Kreisstadt wurde zwar im 19. Jahrhundert kräftig gebraut, jedoch von Wirten und ausschließlich für ihren Ausschank.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Das Remstal ist weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt für hervorragende Weine und Obst in Spitzenqualität. Was es zwischen Neckarrems und Plüderhausen jedoch nicht gibt, sind Brauereien. Die Erklärung liege auf der Hand, meint der Kreisarchivar Andreas Okonnek: „Die Leute im Remstal haben Wein und Most getrunken, dazu hatten sie ja alles direkt vor der Haustür. Früher hat man das alles selbst gemacht. Auch Bier wurde bis in das 20. Jahrhundert hinein meist selbst gebraut.“

 

Dieser Do-it-yourself-Gedanke ist in jüngster Vergangenheit wieder aufgeblüht, allerorten gibt es kleine und größere Hausbrauereien, auch im Rems-Murr-Kreis. Nur Brauereien, die über den Hausgebrauch hinaus mit Bier handeln, die gibt es nicht. Oder besser, nicht mehr.

Acht Wirtsleute brauten im 19. Jahrhundert Bier in Waiblingen

Waiblingen war einst eine Bierhochburg im Remstal. Dort existierten im 19. Jahrhundert acht Brauereien, durch die Bank Wirtshäuser, die ihr eigenes Bier brauten. 1843 gab es die Gasthäuser Adler, Wilder Mann, Zum Felsen, Zum Grünen Baum, Löwen, Schwanen, später das Lamm und die Rose. Aus erhaltenen Dokumenten gehr hervor, dass im Adler – dem heutigen Hotel an der Stadtmauer – im Jahr 1829 insgesamt 40 Eimer Bier gebraut worden waren, nach heutigem Maß 12 000 Liter. Bier war im 19. Jahrhundert zum Modegetränk geworden, die erste urkundlich erwähnte Waiblinger Brauerei existierte bereits 1708.

Die Wirtshäuser jener Zeit waren zumeist komplette Selbstversorger, sowohl was die Speisen als auch die Getränke anging. So hat Andreas Okonnek einen Bauantrag gefunden, in dem der Betreiber einer Wirtschaft neben einer bereits bestehenden Küferei und Brennerei noch eine Brauerei einbauen wollte. Die mit eingereichten Pläne sind ebenfalls im Bestand des Kreisarchivs.

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Eine Ausnahme der Bierdiaspora hat der Archivar in Schorndorf gefunden. „Dort gab es bis 1986 die Löwenbrauerei“, sagt der Kreisarchivar, der zum Thema Bier in seine Bestände durchforstet hat. Diese Kleinbrauerei war 1822 gegründet worden und stand an der Göppinger Straße unweit des Stadtkerns. Nachdem der Betrieb 1988 eingestellt worden war, ließ die letzte Inhaberin Irene Beißwanger an dieser Stelle Wohnhäuser errichten. Letztes verbliebenes Zeugnis ist der Löwenkeller, in dem heute noch ein Lokal zu finden ist. Die Beißwangers unterhielten neben der Brauerei eine Zeltfirma. Arthur Beißwanger konstruierte und baute Zelte für Großveranstaltungen, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges von den Besatzungsmächten gebraucht wurden. Später kamen Messehallen dazu, der Betrieb lieferte ins europäische Ausland und das nicht zu knapp.

Das „weltberühmte“ Schorndorfer Löwenbräu

Das Löwenbräubier hatte aber anscheinend keinen besonders guten Ruf. „Manchmal habe ich geheult“, sagte Irene Beißwanger in einem Interview, das die Stadt Schorndorf im Jahr 2009 mit der damals 80-Jährigen veröffentlichte. Dabei sei das Bier doch ganz gut gewesen, meinte sie. Es schmeckte zumindest einem Getränkehändler aus Washington, der von der Schorndorfer Brauerei erfahren hatte und Bier bestellte. Möglicherweise war er einem Irrtum aufgesessen. Denn er warb in der Washington Post mit dem „weltberühmten Löwenbräu“, was wiederum der Brauerei selben Namens am Münchener Stiglmaierplatz sauer aufstieß. Die Bayern fackelten nicht lange und verklagten die „weltberühmte“ Konkurrenz an der Rems. „Den Prozess haben wir natürlich verloren“, wird Irene Beißwanger zitiert, die nach dem Tod ihres Mannes 1982 die Geschäfte ihrer Firmen allein weiterführte.

Verlässt man das Remstal, ändert sich die Situation, was Bier angeht. Zwar findet man auch auf den angrenzenden Höhenrücken so schnell keine Brauerei, doch wurde hier mehr Bier gebraut und getrunken. „Die Oberamtsbeschreibung von Welzheim 1845 verzeichnet 15 Bierbrauer, 60 Branntweinbrenner und 122 Wirte.“ Im gesamten Oberamt versteht sich, nicht im Ort allein. „Der genannte Branntwein wurde meist aus Kartoffeln gebrannt, also wie Wodka“, erläutert Andreas Okonnek.

Dieser hat im Archiv noch eine weitere Brauerei gefunden, die auf heutigem Kreisgebiet stand. In Backnang gab es eine Brauerei Waldhorn. Von dieser gibt es eine Postkarte, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Ein Stück weiter die Murr hinauf hält Schlösslebräu die Brautradition im Flecken hoch. Bis 1984 belieferte dort die 1865 gegründete Adlerbrauerei die Umgebung mit Bier. Bis zu 30 Mitarbeiter zählte man zur Blütezeit, in der jährlich bis zu 30 000 Hektoliter Pils umgesetzt wurden. 1985 wurde das Gebäude abgerissen. Im Jahr 2005 entstand dort das Brauhaus am Schlössle. Dieses bietet zurzeit passend zum beginnenden Frühling Märzenbier an.

Fastengetränk und Lebenselixier

Klosterbräu:
„Liquida non frangunt ieunum – Flüssiges bricht das Fasten nicht“ wussten die Mönche des Mittelalters. Also war Bier immer erlaubt, auch in der Fastenzeit. Chronisten berichten, dass es in einigen Klöstern jedem Mönch erlaubt war, fünf Liter Bier am Tag zu trinekn, um für seine umfangreichen Arbeiten und spirituellen Verrichtungen fit zu sein. Die klostereigenen Brauereien begannen bald, ihre Erzeugnisse zu verkaufen und wurden florierende Wirtschaftsunternehmen, die zum Teil bis heute existieren.

Bockbier:
Diese starke Biersorte wurde extra für die Fastenzeit gebraut. Mit einer Stammwürze von mindestens 16 Prozent bei Bock oder mindestens 18 Prozent bei Doppelbock liegt es weit über Pils mit elf Prozent oder Export mit 13 Prozent. Das selbe gilt für den Alkoholgehalt, der mit sechs Prozent und mehr mindestens doppelt so hoch ist als bei anderen Sorten.

Ernährung:
Im Folgenden liegt die Betonung immer auf „maßvoll“. Bei solchem Biergenuss, haben Wissenschaftler festgestellt, sei er für die Nieren und Koronargefäße von positivem Einfluss. Der Berufsverband belgischer Brauer hat sogar veröffentlicht, die Vitamin-B-Zufuhr werde durch maßvollen Biergenuss unterstützt. Die Spezialisten räumen jedoch ein, Bier könne die tägliche Vitaminzufuhr nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.

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