40 Tonnen Schutt und zehn Kilometer Kabel sind abgetragen worden. Von Grund auf saniert feiert die 44-jährige Boa an diesem Donnerstag im neuen Look ihr Comeback.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Über die 1977 eröffnete Boa kursieren viele kuriose Geschichten. Wer aber hat gewusst, was der Club mit dem Schlangenkopf einmal war? Ein Supermarkt! Im verdunkelten Partynachtbetrieb, wenn das Discolicht verführerisch-farbig tanzt, hat man’s kaum bemerkt. Doch nun, da die Kultdisco (sie stammt aus einer Zeit, als man noch Disco statt Club sagte) eine Baustelle ist, da eifrig gewerkelt und geputzt wird in dem seit 20 Monaten ausgeknockten Hotspot der Nacht, sieht man’s: Auf der Rückseite befinden sich Vertiefungen, die Schaufenster eines Supermarkts waren.

 

In der Anfangszeit als Tanzschuppen, als Seile von der Decke hingen und wie Schlangen aussahen (mussten für den Brandschutz nach zehn Jahren verschwinden), waren diese mit Spanplatten zugenagelt. Später wurden sie mit Steinen zugebaut. Ach, ist das lange her!

Der ebenfalls 1977 eröffnete Kings Club startet im Dezember neu

Die Boa ist der Dino der Nacht. Jetzt kehrt die Legende zurück. Je älter die Clubs sind, desto mehr Zeit lassen sie sich fürs Comeback. Die Boa an der Tübinger Straße startet an diesem Donnerstag, 18 Uhr, mit der After-Work-Party. Der ebenfalls 1977 gegründete Kings Club wird – auch aufwendig saniert – im Dezember öffnen. Andere Clubs sind schon seit Monaten zurück. Wird es zum Nachteil, wenn man erst später dazustößt? Ist das Publikum dann schon festgelegt? „Es ging nicht früher“, sagt Boa-Chef Rainer Frankfurth, „wir haben sehr viel erneuert.“ Die Klimaanlage, das Lichtsystem, der abwaschbare Kunststoffboden, die Decken, die Wände – alles glitzert, riecht und leuchtet neu.

Der junge Frank Nopper kam zunächst nicht in die Boa rein

In der Boa scheinen Altersgrenzen aufgehoben. Die Jungen sind, na klar, in der Mehrheit, aber auch Generationen darüber, Stammgäste for ever, fühlen sich wohl. Dass Einzelne mit dem Rollator kommen, zählt wohl zu den Fake-News. Dagegen stimmt – der OB erzählt es selbst –, dass der junge Frank Nopper als Schüler vom Boa-Türsteher abgewiesen worden ist. Erst als der spätere Politiker sich an die Fersen des schönsten Girls der Klasse geheftet hat, kam er rein.

Auch heute erhält nicht jeder Zutritt, was nicht an Turnschuhen liegt, die früher ein No-Go waren. An Corona liegt’s! Rainer Frankfurth, der vor sechs Jahren den Club von Werner „Sloggi“ Find übernommen hat, verfolgt mit Spannung, ob die Warnstufe von Freitag an gilt. Dem Wirt ist es lieber, dass die Landesregierung die Regeln vorgibt. „Man sollte dies nicht auf die Gastronomen abwälzen“, sagt er.

Mit der selbst gewählten 2-G-Regel haben Kollegen von ihm Hasswellen ausgelöst. Bei der 3-G-Regel besteht eine Personenobergrenze von 70 Prozent sowie Maskenpflicht außer beim Trinken. Dürfen nur Geimpfte und Genesene rein, fällt dies weg. „Nur dann ist der Clubbetrieb wirtschaftlich“, sagt Frankfurth. Seit Mittwoch ist eines klar: Beschäftigte, die geimpft sind, müssen künftig keine Maske mehr tragen, wenn sie von sich aus ihren Impfstatus dem Arbeitgeber nennen. Dies teilt das Sozialministerium mit. Fragen darf der Chef nicht.

Die Treue zum Club hält wohl ein Leben lang

Beim Umbau helfen Stammgäste der Boa mit, die es nicht erwarten können, dass es losgeht. 40 Tonnen Schutt und zehn Kilometer Kabel sind abtransportiert worden. Der nun glitzernde Boden ist eine Reminiszenz an die Discokugel. Einer der etwa 50-Jährigen, die auf der familiär wirkenden Baustelle bis kurz vorm Start arbeiten, zückt sein Handy. Man sieht ihn in jungen Jahren mit langer Mähne als Türsteher der Schlangendisco. Einmal Boa, immer Boa. Die Treue zum Club hält fürs Leben.

Noch unklar ist, ob die Boa-Party in der Alten Reithalle stattfindet

Ob die Älteren im Januar bei der beliebten Außer-Haus-Party in der Alten Reithalle feiern können, ist noch nicht endgültig entschieden. Das Stammlokal an der Tübinger Straße ist künftig jedenfalls donnerstags bis montags geöffnet. Die Boa liefert Stoff für endlose Erinnerungen. Gründer „Sloggi“ Find hat ein Buch darüber geschrieben. Von Gottschalk über Prinz Albert bis zu Boris Becker – es gab Zeiten, da gingen Promis an der Menschenschlange vorbei durch den Hintereingang in die Boa. Doch dann, sagt Find, habe man sich von „der Schickimicki-Zone“ verabschiedet und sei „normal“ geworden, was das Erfolgsrezept sei. Doch was ist in Coronazeiten schon normal?