Die Bodensee-Wasserversorgung muss riesige Summen aufwenden, um die Quaggamuschel aus ihren Leitungen fernzuhalten. Das ist nicht die einzige Herausforderung durch den Klimawandel. Das heißt: Wasser wird teurer werden.

Tuttlingen - Die Sommer werden immer heißer, die Bevölkerung immer größer, der Wasserbedarf wächst. Die Bodensee-Wasserversorgung (BWV) muss sich großen Herausforderungen stellen. Die größte indes ist zumindest als Larve winzig klein. Die Ansiedlung der so genannten Quaggamuschel im Bodensee wächst sich zu einer regelrechten Plage aus. Um der Herr zu werden, muss der BWV große Summen investieren. Auf 360 Millionen Euro schätzt Christoph Jeromin, der technische Geschäftsführer des landes- und bundesweit größten Fernwasseranbieters, die Kosten für drei Ultrafiltrationsanlagen, die die nur 40 bis 50 Nanometer winzigen Muschellarven aus dem Bodensee-Wasser herausfiltern und so verhindern sollen, dass die Anlagen und Leitungen der BWV von den Quaggamuscheln zugewuchert werden.

 

In den nächsten zwei Jahren will die Geschäftsführung die Pläne konkretisieren, allein für die Planung werden über 14 Millionen Euro ausgegeben. Dann sollen die 183 Mitglieder des Zweckverbandes darüber abstimmen, ob diese Großinvestition getätigt wird.

Der Bodensee ist flächendeckend mit der Muschel besiedelt

Im Moment scheint das alternativlos zu sein. Die Muschel hat hierzulande keine natürlichen Feinde und verbreitet sich in gigantischer Geschwindigkeit. Im Lake Michigan in den USA, dessen Wasserqualität mit der des Bodensees vergleichbar ist, ist der Muschelbestand innerhalb von zehn Jahren von null auf 10 000 bis 100 000 Muscheln je Quadratmeter Seeboden explodiert.

Im Bodensee wurde das Tierchen, das eigentlich am Schwarzen Meer zuhause ist, erstmals vor drei Jahren entdeckt. Inzwischen ist der See, das zeigen Tauchaufnahmen der LUBW, flächendeckend besiedelt. Auch im Rhein und in der Donau hat sich die Quaggamuschel bereits breit gemacht. Schon jetzt hat die BWV alle Hände voll zu tun zu verhindern, dass die Quaggamuscheln sich breitmacht. Im Moment löst man das Problem ganz praktisch, indem die entsprechenden Mikrosiebanlagen in den technischen Anlagen vier Mal öfter als bisher gereinigt werden. Außerdem wird das Rohwasser stärker mit Ozon versetzt und anschließend erneut durch eine Sandschicht gefiltert. „Danach haben wir keinen Nachweis von Larven mehr“, sagt Jeromin.

Am besten funktionieren Ultrafiltrationsanlagen

Das sei aber keine Dauerlösung. In den vergangen zwei Jahren hat die BWV verschiedene Systeme untersucht, wie die Muschel am wirksamsten herausgefiltert werden kann. Die Ultrafiltrationsanlagen zeitigten den besten Erfolg. Im nächsten Jahr will die BWV zwei solcher Anlagen unterschiedlicher Hersteller testen. Schon im nächsten Jahr will die BWV für fünf Millionen Euro ein Vorhebepumpwerk errichten, das außerdem helfen soll, die niedrigen Pegelstände auszugleichen.

Denn „der Klimawandel ist bei den Wasserversorgern angekommen“, sagt Jürgen Zieger (SPD). Der Esslinger Oberbürgermeister, der bis März 2020 auch noch dem zweitgrößten Fernwasseranbieter im Land, der Landeswasserversorgung, vorsitzt, ist am Dienstag von der Verbandsversammlung turnusgemäß zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Auch 2019 gab es einen Sommer mit mehr als hundert Tagen, an denen die Temperaturen die 25-Grad-Celsius-Marke überschritten. Zieger begrüßt zwar, dass das Ministerium für Ländlichen Raum im Frühjahr den Vorstoß der vier Fernwasserversorger im Land für einen Masterplan Trinkwasserversorgung aufgegriffen hat. Er kritisiert aber auch, dass der Prozess so lange dauert. Bis 2024 soll die Infrastruktur und die Versorgungslagen jeder einzelnen Kommune im Land erfasst und daraus Folgerungen für die Zukunft gezogen werden.

Die Wasserversorger arbeiten immer öfter im Hochlastbetrieb

Das hat Konsequenzen, weil die örtlichen Wasserquellen dann häufig versiegen. „Wir haben Wasserabgaben, die uns an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit führen“, sagt Zieger. 2018 gab die BWV fast 138 Millionen Kubikmeter Bodenseewasser ab, so viel wie noch nie. In diesem Jahr rechnet der Zweckverband zwar nur mit 130 Millionen Kubikmetern. Aber wie schon im Jahr zuvor arbeitete die BWV dieses Jahr an 18 Tagen im Hochlastbetrieb – und man rechnet damit, dass diese Ausnahmesituationen auch künftig vermehrt zur Normalität gehören werden. 2015 ist die 130-Millionen-Grenze erstmals überschritten worden, seitdem liegt man konstant drüber. Außerdem müssen die 60 Jahre alten Anlagen und Leitungen sukzessive erneuert werden. Von den 35,5 Millionen Euro, die die BWV im nächsten Jahr investiert, fließen fast 20 Millionen in neue Wasserleitungen.

Die Kosten werden umgelegt. Der Wasserpreis, den der BWV seinen Verbandsmitgliedern berechnet, soll laut Plan von 56 Cent je Kubikmeter Wasser für 2018 auf 61,9 Cent je Kubikmeter steigen. Für 2020 kalkuliert der kaufmännische Geschäftsführer Michael Stäbler mit 63,7 Cent. Das werden irgendwann auch die Endverbraucher an ihrem Geldbeutel spüren. „Wasser wird teurer werden“, prophezeit Michael Stäbler. Jürgen Zieger hat dafür einen Tipp: Leitungswasser trinken, am Sprudel sparen.