Um eine Müllverbrennungsanlage zu verhindern, kam Ulrike Koch vor 24 Jahren zur Stadt. Als Leiterin des Amts für Liegenschaften und Wirtschaftsförderung verabschiedet sie sich nun in den Ruhestand. Sie hat das Einkaufszentrum Mercaden nach Böblingen gebracht.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Was 1992 geplant war, ist heute kaum vorstellbar: eine Sondermüllverbrennungsanlage auf dem Flugfeld. Aus Ulrike Kochs Perspektive betrachtet war das Vorhaben aber positiv – es hat sie schließlich zur Böblinger Stadtverwaltung gebracht. Koordinierungsstelle für den Protest gegen die Sondermüllverbrennungsanlage, lautete die Aufgabe, auf die sie sich vor fast einem Vierteljahrhundert bewarb. Am Donnerstag hatte die 61-Jährige ihren letzten Arbeitstag im Rathaus. Als Leiterin des Amts für Liegenschaften und Wirtschaftsförderung hat sie sich in den Ruhestand verabschiedet. „Der rote Faden war die Standortverbesserung“, sagt sie über ihre verschiedenen Tätigkeiten in den vergangenen 24 Jahren. Ulrike Koch hat Böblingens Entwicklung stark mitgeprägt.

 

Fließender Übergang zum Flugfeld

Es war ein ungewöhnlicher Einstieg in eine Verwaltung, schließlich demonstrieren Bürger normalerweise gegen die Pläne einer Stadt und nicht mit ihr. Aber als 50 000 Böblinger auf dem Marktplatz gegen die Sondermüllverbrennungsanlage skandierten, stand Ulrike Koch auf ihrer Seite. Im Schulterschluss mit der Bürgerinitiative und den global agierenden Unternehmen sei es gelungen, das Projekt zu verhindern, beschreibt sie die Arbeit in einer speziellen Koalition. Von der anderen Seite wurde sie dafür mit Drohungen konfrontiert. „Es war hart, aber unglaublich spannend“, sagt die Verwaltungswirtin über die Zeit, die mit dem Aus für die Sondermüllverbrennung am 25. Juli 1995 auch beendet war.

Der Übergang zur nächsten Aufgabe verlief fließend: Das vom Müll verschonte Flugfeld musste anders besiedelt werden. „Und ich war ja schon mittendrin“, erzählt Ulrike Koch, auch was den Kontakt zu den Firmen anging. Von der Protestkoordinatorin wurde sie zur Leiterin des Referats Wirtschaftsförderung – in einer Phase als die Arbeitslosenquote bei neun Prozent lag. Damals strukturierte Daimler sein Sindelfinger Werk um und strich viele Stellen. Gemeinsam mit den Kollegen aus Sindelfingen und dem Landratsamt initiierte sie eine Reihe von Wirtschaftskongressen als lokales Netzwerk und sie trug mit Beziehungspflege dazu bei, die Unternehmen am Standort zu halten. Als Gegenimpuls zur Krise setzte Ulrike Koch vor zwölf Jahren das Softwarezentrum ins Gewerbegebiet Hulb. Darin logieren heute 100 Firmen aus der IT-Branche mit 1200 Arbeitsplätzen.

Legendäre Begegnung mit Herbert Krämer

Als im Jahr 2004 die Leitung des Amts für Liegenschaften dazu kam, konzentrierte sich Ulrike Koch noch mehr auf die Stadtentwicklung. Ihre Begegnung mit Herbert Krämer auf einer Münchner Immobilienmesse vier Jahre später ist längst legendär. Mit dem Böblinger Angebot – ein Grundstück direkt am Bahnhof für ein Einkaufszentrum – klapperte sie dort einen Investor nach dem anderen ab, und der Mercaden-Betreiber schlug ein. Zuvor musste sie sich allerdings mit einer langen Phase der Stagnation auseinandersetzen, inklusive des Niedergangs der alten Einkaufszentren an der Wolfgang-Brumme-Allee. Auch einen Leerstandsmanager heuerte die Stadt zwischenzeitlich an. „Es ist etwas Schönes entstanden, und wir sind noch nicht am Ende“, zieht Ulrike Koch Bilanz über die neue Unterstadt.

Für ihren Nachfolger Dominik Schaudt ergeben sich daraus schon die nächsten Aufträge. Ein Tourismuskonzept muss geschrieben werden, findet die 61-jährige Ex-Amtsleiterin und ein Stadtmarketing-Konzept für das Management der verschiedenen Quartiere. Das Gewerbegebiet Hulb müsse neu geordnet und der Schlossberg attraktiver gemacht werden. Ulrike Koch hat sich dafür andere Dinge vorgenommen. Sie will im Ruhestand reisen und malen und sich um sich und ihre Familie kümmern. Aus ihrem Büro nimmt sie nur eine Sache mit: ein Seerosen-Bild von Claude Monet. „Wenn ich mich verabschiede, dann trenne ich mich auch von den Dingen – um wieder Platz für Neues zu haben“, sagt sie.