Die Broilers mit ihrem Frontmann Sammy Amara sind aus der Welt der deutschsprachigen Rockmusik nicht mehr wegzudenken. Die Düsseldorfer spielen im Sommer bei den KSK Music Open.

Ludwigsburg: Marius Venturini (mv)

Die Broilers sind aus der Welt der deutschsprachigen Rockmusik nicht mehr wegzudenken. Die Düsseldorfer Band, die ihre Wurzeln in der Oi!- und Punk-Rock-Szene hat, füllt inzwischen Stadien. Im Sommer spielt die Gruppe um Frontmann Sammy Amara auch bei den KSK Music Open in Ludwigsburg. Im Interview mit dem 44-Jährigen geht es aber nicht nur um die Sommerfestivals, sondern auch um die Musikbranche – und um Rap.

 

Sammy, euer bislang letztes Konzert war am Tag vor Heiligabend in Düsseldorf. Jetzt geht es los mit den Warm-up-Shows für die Sommerfestivals. Was tut sich generell gerade im Broilers-Camp?

Wir waren die ganze Zeit über immer wieder im Proberaum und haben keine wirkliche Pause gemacht. Wir haben für uns festgestellt, dass es uns gut tut, einfach am Ball zu bleiben. Ich muss mich nicht erst wieder dran erinnern, was das für ein Instrument ist, das ich da gerade in der Hand halte. Und es hält auch die Moral der Truppe aufrecht (lacht). Wir sind aktiv und freuen uns total auf die Tour. Wir haben außerdem an der Setlist geschraubt, werden ein paar Lieder rotieren. Es wird überhaupt nicht langweilig.

Du selbst warst abseits des Bandgeschehens ja auch alles andere als untätig.

Ich arbeite zum Beispiel an neuem Merchandise. Es ist gerade keine schlechte Zeit.

Gemeinsam mit der Band Swiss & Die Andern hast du außerdem den Song „Nicht für ein Land“ veröffentlicht. Wie ist die Resonanz darauf ausgefallen?

Die Resonanz war super. Ich kann Sachen nicht mehr besonders gut greifen, wenn sie einmal meine Feder verlassen haben oder einmal aufgenommen wurden. Dann liegt es quasi in fremden Händen. Aber ich freue mich total, dass das Lied verstanden wurde. Und ich freue mich darüber, dass ich zusammen mit Swiss ein Liebeslied schreiben konnte, das nicht peinlich oder irgendwie kitschig ist und wir in diesem Song noch ein Statement verpacken konnten, wie scheiße Krieg und Nationalismus sind.

Das Rappen hast du aber den anderen überlassen.

Auf jeden Fall (lacht). Ich verstehe nicht, wie das geht. Und immer, wenn ich es versuche unter der Dusche, höre ich mich an wie Oli P. mit „Flugzeuge im Bauch“. Also das sollte ich nicht machen.

Auch mit der deutschen „Queen of Metal“ Doro Pesch soll etwas in der Pipeline sein. Gibt’s da schon was Konkretes zu vermelden?

Da wird auch noch was kommen, aber das dauert noch ein bisschen.

Ihr seid ja auch aufgrund eurer Heimatstadt Düsseldorf miteinander verbandelt.

Genau. Bei unseren beiden Shows in Düsseldorf vor Weihnachten war sie auch dabei. Wir hatten uns erst ein paar Wochen vorher kennengelernt und haben uns sehr ineinander verliebt. Doro ist ein ganz toller Mensch mit tollen Geschichten und einer superinteressanten Historie. Das hat sofort gepasst und wir sind in Kontakt geblieben.

Sie hat auch einige hörenswerte Geschichten über die inzwischen leider verblichene Rockfabrik hier in Ludwigsburg zu erzählen. Wart ihr denn mit den Broilers mal dort?

Ich muss kurz nachdenken, aber ich befürchte nicht. Aber wer sich erinnert, war sowieso nicht dabei (lacht).

Die Rockfabrik existiert nicht mehr, allerdings sind weder Corona noch die Teuerungen in allen Bereichen für ihr Ende verantwortlich – also nicht die Faktoren, die es für Bands, Clubs und Veranstalter aktuell extrem schwer machen. Wie blickt eine große Band wie die Broilers darauf, was da gerade passiert? Ihr habt ja auch mal klein angefangen.

Es ist total schlimm. Ich will mich oder unsere Branche nicht selbst bemitleiden. Aber es ist schwierig, in welchem Vakuum sich die Kulturbranche insgesamt befindet. Es tut sehr weh, zu sehen, dass Menschen scheinbar nicht mehr wirklich bereit sind, Geld auszugeben – sei es für Musik, Film, Kunst, Literatur. Dass Menschen sich immer mehr daran gewöhnen, dass all das gratis erhältlich sein muss. Dabei vergessen sie, dass, wenn es gratis ist, es die Künstler in einen Hobbybereich treiben wird. Und aus dem Hobbybereich heraus kannst du nicht mehr die Kunst schaffen, die die Leute gewohnt sind.

Das Anspruchsdenken ist ein Problem.

Genau. Du kannst an einen Film nicht den Anspruch haben, dass er auf Kinoniveau sein muss – aber gleichzeitig nicht dafür bereit sein, für die Kinokarte zu bezahlen. Um jetzt mal ein Beispiel aus einem anderen Bereich zu nennen. Aber so übersetzt es sich auch auf die Musikbranche und damit dann auch auf die kleinen Clubs.

Damit geht bei kleineren oder mittelgroßen Konzerten dann auch der mittlerweile völlig unkalkulierbare Vorverkauf einher.

Als ich mit Punk angefangen habe, Anfang der 1990er Jahre, da gab es quasi keinen Vorverkauf. Man wusste aber: Du hast einen kleinen Club, in den 150 Leute passen. Und du hast das Wissen, dass es eine gesunde Punk-Rock-Szene gibt – die gab es damals irgendwie noch. Und diese Leute werden auftauchen. Aber je größer die ganze Sache wurde, umso wichtiger wurde dann auch der Vorverkauf. Damit du weißt, du bist über dem sogenannten „Break even“, also dem Punkt, ab dem du kein Geld mehr verlierst. Und wenn das wegfällt – schwierig.

Noch eine Frage zum Thema, bevor wir uns wieder erfreulicheren Dingen zuwenden: Bei den Broilers als Band einer gewissen Größe hängt ja auch noch viel mehr dran als bei kleineren oder mittelgroßen Gruppen, bei denen es neben den Bandmitgliedern – sagen wir mal – zwei Roadies und ein Techniker sind.

Wir haben ganz viele Mitarbeitende um uns herum. Und das betrifft nicht nur die Menschen, die auf Tour mit dabei sind, sondern auch die Leute im Büro. Und diese Menschen verlassen sich darauf, dass wir ihnen ihre Brötchen bezahlen. Es ist alles kein Spiel, kein Hobby mehr. Und das ist auch schwierig, in Einklang zu bringen mit unserem Wunsch, unsere Punk-Wurzeln nicht zu vergessen und möglichst coole Preise anzubieten – dann aber natürlich auch zu wissen, wir müssen kalkulieren. Wir können nicht einfach auf Null rauskommen, denn sonst würde das ganze Unternehmen irgendwann vor die Wand fahren. Komplizierte Kiste.

Jetzt aber: Die Festivals stehen an und ich kann mir vorstellen, dass ihr euch darauf genau so freut wie die Fans.

Absolut! Die Festivals oder auch unsere eigenen Open Airs sind für mich sowieso das Allergeilste. Sie finden unter freiem Himmel statt, im Sommer, meiner Lieblingsjahreszeit, weil er immer eine Leichtigkeit mit sich bringt. Ich liebe das, wenn man im Hellen anfängt, in den Sonnenuntergang reinspielt und dann ist es irgendwann dunkel. Dadurch entstehen viele verschiedene Stimmungen, wofür die Setlist natürlich auch angepasst ist. Ich freue mich total drauf.

Seid ihr nach all den Proben jetzt fit? Oder knarzt es bei aller Routine doch noch an der ein oder anderen Stelle?

Routine ist das Stichwort. Die Songs müssen so blind sitzen, dass wir locker improvisieren können. Dass ich auf der Bühne Scheiße erzählen kann (lacht). Dass man das Auto auch mal freihändig fahren kann. Und je eingespielter und lockerer wir sind, desto schöner wird das ganze.

Du wirst es mir wahrscheinlich nicht verraten, aber: die Setlist. Was habt ihr geändert?

Da müssen sich die Leute überraschen lassen. Was ich sagen kann: Es wird immer, immer dasselbe Lied zum Start sein und immer dasselbe Lied zum Ende. Es fängt mit „Zurück zum Beton“ an und mit „Schenk mir eine Blume“ hört das ganze auf. Dazwischen haben wir durchaus Positionen, an denen wir Lieder durchwechseln, außerdem haben wir ein Medley eingebaut – sowas wie den „Broilers-Hit-Mix“ aus der Vergangenheit. Aber es gibt natürlich auch die Must-have-Songs, bei denen die Leute sauer wären, würden wir sie nicht spielen. Das ist unsere Achterbahn, auf die wir das Publikum mitnehmen.

Als Vorband sind The Generators dabei. Wie kam diese Wahl zustande?

The Generators kennen wir schon lange, das sind Freunde von uns. Wir sind eine Rockband mit Basis im Punk. Aber ein kleiner Bildungsauftrag für uns ist es auch, unserem Publikum Bands vorzustellen, die sehr geil sind – und die uns beeinflusst haben. Und The Generators haben uns beeinflusst. Ich freue mich, wenn ein paar Leute im Publikum sind, die The Generators kennenlernen, sich in die Band verlieben und darüber dann wiederum andere neue Bands entdecken.

Zum Schluss: Nicht nur der erste und letzte Song sind Tradition – auch die Tatsache, dass es für euch vor und während eurer Shows ein oder mehrere Gläschen Gin zur Verpflegung gibt.

Da kannst du dich drauf verlassen (lacht).

Sammy Amara, die Broilers und die KSK Music Open

Zur Person
 Sammy Amara wurde am 22. Juni 1979 in Düsseldorf geboren. Sein Vater war in den 1960er Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Amara ist nicht nur Broilers-Frontmann, er ist auch diplomierter Kommunikationsdesigner. Er kümmert sich selbst um viele Broilers-Artworks und -Fanartikel und auch die anderer Bands.

Broilers
 Wie in der Oi!-Szene verbreitet, wählte man einen Namen mit eben diesen beiden Buchstaben. Die Broilers gingen 1994 aus einer zwei Jahre zuvor von Amara und Drummer Andreas Brügge gegründeten Band hervor. Inzwischen ist die Gruppe musikalisch den Punk-Wurzeln entwachsen und bringt es auf acht Alben – die drei jüngsten davon landeten in den Charts auf Platz eins.

KSK Music Open
Die Broilers spielen als Teil ihres „Niemand wird zurückgelassen“-Konzertsommers (www.broilers.de) am Freitag, 4. August, im Hof des Ludwigsburger Schlosses. Hier gibt es Tickets. Zuvor spielen Labrassbanda (29. Juli), Dieter Bohlen (30. Juli) und Lea (3. August). Danach gibt es am 5. August noch das Amore-Festival mit DJ Sven Väth.